Aktien und Fremdwährungen – Einfluss der Wechselkurse auf die Bewertung

Ich gebe zu, dass ich Wechselkursproblematiken in meiner Zeit als Anleger nie berücksichtigt habe. Wenn ich ehrlich bin, kamen mir die Geschichten von großen und bedeutenden Währungsschwankungen (z.B. die tolle Geschichte wie Soros gegen das Pfund wettete; oder wie meine Mutter auf dem Markt in Gubin (die polnische Seite meiner Geburtsstadt) in DM großartige Preise bekommen hat weil der Zloty angesichts hoher Inflation von den Händlern nicht gefragt war) vor wie aus einem längst vergangenen Zeitalter. Durch den Euro haben wir uns daran gewöhnt, dass der bei weitem größte Teil des Exports nicht durch Währungsschwankungen beeinflusst werden kann, und die meisten Währungen waren im letzten Jahrzehnt relativ stabil – auch wenn in der Finanz- und Eurokrise viel darüber diskutiert wurde.

Währungen rücken stärker in den Fokus

Dann kam letztes Jahr auf einmal der heftige Verfall des Rubel, der Adidas heftige Bauchschmerzen bereitete und mir das Thema ins Gedächtnis riefen. Venezuela, mit einem Anteil des Öls an Exporten von 96% noch stärker als Russland von Ölexporten abhängig, ist sogar noch weit härter getroffen und steht vor der Staatspleite.

Am Donnerstag ist dann völlig überraschend der Wechselkurs des Franken freigegeben worden – und der Kurs um 15-20% eingebrochen/gestiegen (je nachdem von welcher Seite aus man es betrachtet). In den Medien wurde viel davon geschrieben, dass die Schweizer Börse daraufhin völlig eingebrochen sei. Der erste schweizerische Wert der mir ein fiel war Nestlé, dessen Kurs ich dann nachgeschaut habe – und *huch* – Nestlé war um 8% gestiegen. Allerdings habe ich den Kurs natürlich in Euro nachgeschaut, in Franken ist er tatsächlich zu dem Zeitpunkt 8% im Minus gewesen. Doch welche Reaktion ist die gerechtfertigte? Wie sollte man ein Unternehmen fairerweise bewerten, wenn sich die Wechselkurse erheblich verschieben? Ergeben sich für den aktiven Investor hier möglicherweise andere Hinweise auf Unterbewertungen von Unternehmen?

Ich bin natürlich keinesfalls ein Experte auf dem Gebiet, im Gegenteil möchte ich hier meine Gedanken klären und für mich selbst lernen – alles ist als meine subjektive Meinung.

Insgesamt würde ich aber sagen, dass man als langfristiger Investor die Wechselkurse besser ignorieren sollte. Warum? Ganz einfach: eine Aktie ist ein Stück realwirtschaftlicher Beteiligung – es ist also entscheidend wie viel der Besitz der Firma (z.B. Maschinen und Fabrikgebäude) , aber auch angesammeltes Wissen oder Kundenbeziehungen, wert ist. Und das ist meiner Meinung nach nur wenig von der Wechselkursentwicklung abhängig, vor allem nicht von der typischen liquiditätsgetriebenen Schwankung infolge unterschiedlicher Vertrauens- und Zinsniveaus.

Beispiel Nestlé

Nehmen wir mal als Beispiel den bereits erwähnten schweizerischen Konzern Nestlé. Nestlé ist in fast 200 Ländern weltweit aktiv, und unter 2% des Umsatzes werden überhaupt in der Schweiz erzielt. Selbst Europa als ganzes trägt unter 30% des Umsatzes bei. Aus der Schweiz heraus wurden Produkte für 3,76 Mrd Franken exportiert, bei über 92 Mrd Franken Gesamtumsatz. Selbst wenn also der ganze Export aus der Schweiz nun knapp 20% weniger Franken bringt, so hat man einen Verlust von höchstens 700 Mio € – da man aber wahrscheinlich ebenfalls in die Schweiz importiert und die Kurse abgesichert sein sollten wohl noch wesentlich weniger. Was könnte aber eine in Euro gemessene massive Aufwertung der Nestlé-Aktie rechtfertigen? Beziehungsweise, sollte sich die Aktie überhaupt an irgendeiner Währungsentwicklung orientieren?

Der erste Punkt ist dabei sicherlich die Verteilung des Nettovermögens. Ich habe nicht in die Bilanzen geschaut und wahrscheinlich ist es auch nicht detailliert aufgeführt – aber bei einem globalen Konzern dürften sowohl Schulden als auch Cashbestände in verschiedensten Landeswährungen anfallen. Je nachdem ob in Franken entweder deutlich mehr Schulden als Cash oder andererseits deutlich mehr Cash als Schulden bestehen macht eine Währungsaufwertung wie am Donnerstag einen tatsächlichen Vermögenszuwachs oder -Verlust aus.

Der zweite Punkt ist das operative Geschäft. Dieses sollte man eigentlich als Summe seiner Teile betrachten. Einige Teile, insbesondere die die Kosten in Franken produzieren, könnten nun eine geringere Produktivität aufweisen. Andere könnten durchaus profitieren. Im wesentlichen dürften die Renditen aber von den Kundenländern abhängen. Wenn der Euro um 20% fällt, dann sind eben Eurogewinne in Franken nur noch 80% wert. Das gleiche gilt für jede andere Währung. In Euro gerechnet dagegen dürften die in Franken anfallenden Gewinne mehr wert werden, während die in Euro gleich bleiben.

Fazit: Die in Franken erzielten Umsätze sind für Nestle im Vergleich relativ gering. Auch sonst ist der Konzern sehr international aufgestellt. Dass der Konzern daher eine Frankenaufwertung zumindest teilweise mitmacht, hängt vermutlich nicht daran, dass die Investoren tatsächlich den Wert höher einschätzen (zumal ein großer Teil der Verwaltungskosten ja auch in Franken anfällt), sondern sie den Wert einfach in Franken messen. Ähnliche Kursverläufe waren ja auch bei anderen Unternehmen zu beobachten. Ich nehme an, die Kurse folgen dem Währungsverlauf wenn überhaupt nur mit zeitlicher Verzögerung. Aktienpreise mit einem ganzen Währungskorb, angepasst auf die Umsatzverteilung der jeweiligen Firma, zu messen wäre wohl zu kompliziert.

Daher denke ich, dass man eher in Ländern deren Währung deutlich gefallen ist günstig bewertete Aktien findet. Im Moment: Europäische Aktien (also insbesondere Eurozone) dürften bei sehr stark international ausgerichteten Unternehmen im Moment gerade deutlich gefallen sein – wenn man die Aktien eben mit ihrer internationalen Ausrichtung und in verschiedenen Währungen betrachtet. Die Bayer-Aktie hat in Euro gerechnet zwar 2014 mehr als 10% zugelegt, in Dollar aber nur stagniert. BASF hat in Dollar gerechnet sogar 30% seit Juni verloren.
Noch interessanter könnten russische oder ukrainische Aktien sein – vor allem russische Rohstoffexporteure – allerdings kenne ich mich da überhaupt nicht aus.

Wer dazu interessante Gedanken hat, kann ja mal einen Kommentar hinterlassen – da ich mich wie gesagt wenig auskenne ist jeder Hinweis und Gedankenanstoß gut!

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