Auf die Größe kommt es an!?

Tja, eine schwierige und kontroverse Frage, die ich hier einmal diskutieren möchte:

Kommt es auf die Größe an? 

Wie der regelmäßigere Leser sicherlich schon bemerkt hat, beschäftige ich persönlich mich relativ stark mit eher kleinen Unternehmen. Nun ist aber die Frage, ob das denn überhaupt sinnvoll ist – schließlich gibt es etliche Argumente, die prinzipiell für die großen Firmen sprechen. Zum Teil sind mir diese auch erst in letzter Zeit bewusst geworden – und daran darf natürlich jeder teilhaben 🙂

Also zum Thema: was sind die Vorteile und Nachteile von Small-Caps (Unternehmen mit relativ niedrigem Börsenwert) und demgegenüber Large-Caps (Unternehmen mit relativ hohem Börsenwert? In Deutschland würde ich die Grenze bei MDAX aufwärts ansetzen, d.h. im wesentlichen eine Marktkapitalisierung von mindestens 1 Mrd €. Wirklich scharf ist eine solche Grenze allerdings nicht, das eigentlich entscheidende ist eher die öffentliche Wahrnehmung: Je höher der handelbare Marktwert, desto mehr Kapital in den Aktien gebunden ist, desto mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekommt eine Aktie. Auf der anderen Seite kann es bei kleinen Werten dazu kommen, dass sie niemand auf dem Schirm hat und es tagelang keine Umsätze gibt (Bsp: meine Beteiligung an der Bavaria Industries).

Das hat Auswirkungen! Benjamin Graham diskutiert dieses Thema bereits in seinem bekannten Werk “The Intelligent Investor”, wobei er feststellt, dass (bei größeren Schwankungen) kleinere Unternehmen oftmals eher unterbewertet sind:

“As a result of that experience [er meint die Depression 1931/32] investors have since developed a pronounced preference for industrie leaders and  a corresponding lack of interest most of the time in the ordinary company of secondary importance. This has meant that the latter group have latter sold at much lower prices in relation to earnings and assets than have the former.”

Das Ergebnis seiner Beobachtungen war also, dass kleine Unternehmen eher weniger Aufmerksamkeit erfahren und dadurch eher unterbewertet sind. Er beschreibt anschließend, wie gerade in Boomphasen sich dies zum Teil ins Gegenteil verkehrt – um anschließend wieder in das alte Muster zu fallen. Berechtigtermaßen stellt er die Frage: was bringt es eine unterbewertete Aktie zu kaufen, wenn davon auszugehen ist, dass sie die meiste Zeit unterbewertet bleiben könnte? Interessanterweise geht er hierbei auf zwei unterschiedliche Aspekte ein: die Marktkapitalisierung einerseits, andererseits die Größe des Unternehmens relativ zu seinem Markt. Ist es Marktführer (möglicherweise einer kleinen Nische)? Oder vielleicht nur die kleine Nummer 4 in einem Massenmarkt?

Beide Aspekte sind wichtig, da sie unterschiedliche Arten von Größenvorteilen erzeugen können.

Vorteile der Marktführer und Herausforderer

Es spricht aus rein operativer Sicht einiges dafür, in der Regel dem Marktführer einen Preisaufschlag auf seine Aktien zuzubilligen. Nicht zuletzt wird Deutschlands wirtschaftliche Stärke oft auf die vielen “Hidden Champions”, also mittelständische Marktführer in kleinen unbekannten Nischen, zurückgeführt.

  • Der Marktführer hat in der Regel Größenvorteile, er muss z.B. einen kleineren Teil des Budgets für Forschung aufwenden um die gleichen Innovationen hervorzubringen
  • Der Marktführer hat normalerweise das größte und beste Vertriebsnetz, oder noch besser die größte Auslastung desselben
  • Der Marktführer hat seine Marke in den Köpfen der Marktteilnehmer (Kunden und Lieferanten) in der Regel am besten verankert
  • Der Marktführer hat zumindest teilweise Kontrolle über den Markt, und kann die Regeln mitbestimmen – z.B. in Verhandlungen mit den Lieferanten, seine Produkte setzen die Standards
  • Der Marktführer kann am ehesten die besten Mitarbeiter anwerben und oft am besten bezahlen
  • Es gibt irgendeinen Vorteil, durch den der Marktführer zum selbigen aufgestiegen ist – seinen es Kosten, Firmenkultur, Innovationen, guter Ruf, gute Qualität, gutes Personal – in der Regel sind diese Faktoren auch weiterhin noch aktiv

Natürlich gibt es auch Gründe, warum gerade die kleinen Konkurrenten, die Herausforderer, ein Investment wert sein könnten, in etwa:

  • Der Herausforderer hat oft eine größere Flexibilität, gerade wenn sich die Bedingungen ändern darauf schneller zu reagieren – je größer ein Konzern hingegen wird, desto gefährlicher ist Trägheit
  • Die kürzeren Entscheidungswege fördern im Idealfall Eigenverantwortung der Mitarbeiter
  • Das Potential für Wachstum ist wesentlich größer, als wenn man bereits einen Großteil des Marktes beherrscht
  • Als Aktionär gibt es eine geringe Chance, durch eine Übernahme (mit entsprechendem Aufschlag auf den Preis) einen Extragewinn einzustreichen
  • ein kleineres Unternehmen ist im Idealfall besser auf seine wenigen Produkte spezialisiert und fokussiert, als es ein diversifizierter Großkonzern sein kann – allerdings zum Preis eines wesentlich höheren Geschäftsrisikos falls der Markt des Produktes schrumpft

Nicht immer spielen alle diese Faktoren eine Rolle. Es lohnt sich meiner Meinung nach aber durchaus, einen genaueren Blick darauf zu werfen, warum eine Firma den Markt dominiert (falls sie es tut) oder eine andere nicht. Gerade in Krisen kann es der entscheidende Vorteil sein, wenn man einfach groß genug ist und länger durchhält als die Konkurrenz. Wie gesagt, es ist vom Einzelfall abhängig, aber insgesamt halte ich die Marktführerposition für die deutlich stärkere.

Vorteile hoher Börsenbewertung

Nun gibt es ja noch den Punkt absoluter (statt zum Markt relativer) Größe – auch die hat Auswirkungen! Insbesondere bezieht sich das auf einen hohen Freefloat, der über die Börse handelbar ist.

  • Je größer ein Unternehmen , desto höher ist die Aufmerksamkeit in Medien und Öffentlichkeit: Es gibt also immer potentielle Käufer, die auf die Aktien aufmerksam werden. Hingegen ist dieses Potential bei den unbekannten Firmen oft gering, da Käufer sie vielleicht nicht kennen. Potentielle Verkäufer (also Aktienbesitzer) haben dagegen immer ein Auge auf ihre Positionen
  • Hohe Liquidität: Durch die hohe Aufmerksamkeit und den stärkeren Handel ist es möglich, auch größere Beträge einzusetzen (sowohl im Kauf als auch im Verkauf) ohne gleich dadurch den Börsenkurs massiv zu beeinflussen. Bei Small-Caps können dagegen manchmal 10000 € reichen um den Kurs auf ein neues Level zu katapultieren
  • Professionalität: Große Firmen haben eine eigene Investor-Relations-Abteilung, und veröffentlichen in der Regel detailliertere Angaben, zum Teil gibt es offene Presse- oder Telefonkonferenzen und man findet Interviews der Chefs. Die Informationsbeschaffung ist also einfacher.
  • Fondsmanager können oft nur in große Werte investieren: einerseits bedeutet die höhere Liquidität bei großen Summen klare Kostenvorteile, andererseits lohnt es sich nicht zu kleine Beteiligungen einzugehen und dort Zeit in die Analyse zu stecken

Natürlich reicht einem kleinen Wert schon eine geringe Aufmerksamkeit, um genügend Käufer zu finden die den Preis treiben – allerdings scheint mir die Feststellung von Graham auch 50 Jahre später noch zutreffend zu sein: häufig sind gerade kleine Unternehmen diejenigen, die eher zu niedrig bewertet sind. Sollte man daher prinzipiell auf die großen setzen?

Meiner Meinung nach nicht! Der eigentliche Wert einer Aktie ist natürlich immer noch der (abgezinste) Wert der in Zukunft erzielten Gewinne plus dem Endverkaufspreis bei möglicher Abwicklung – und dabei kommt es nicht auf die Größe an! Bei kleinen Unternehmen ist ein Verkauf sogar wahrscheinlicher, nur mit dem Problem dass die Bewertung wie es scheint tendenziell niedriger ist.
Allerdings sollte man im Kopf haben, dass gerade die kleinen Werte schwankungsanfälliger sind und in Krisen oft überdurchschnittlich verlieren. Insofern würde ich Graham hier zustimmen: man sollte einen Sicherheitsabstand zum fairen Preis fordern, bevor man kauft.

Bei meiner Analyse der Dr. Hönle AG war das einer der Gründe, warum ich mich bis jetzt noch nicht getraut habe, zu investieren: das Unternehmen schien mir einigermaßen fair bewertet, und das inmitten vieler eher teurer Aktien – aber zumindest anhand meines beschränkten Wissens kann ich nicht erkennen dass es deutlich unterbewertet wäre, da ein größerer Teil der Bewertung auf einer Fortschreibung der hohen Renditen beruht. Bei einigen Werten die ich im Frühsommer verkauft habe genauso, was es natürlich schwierig macht Investments zu finden. Auch glaube ich nicht, dass man mit einiger Sicherheit auf einen neuen Crash in nächster Zukunft hinsteuert und daher locker warten kann – aber nach besseren Alternativen zu suchen kann nur lohnen.

Fazit

Tendenziell sehe ich es als positiv an, marktführende Unternehmen zu halten und dafür eventuell einen Aufschlag zu zahlen. Im Einzelfall ist natürlich die Entwicklung der Konkurrenz und der Margen zu betrachten, aber grundsätzlich macht es Sinn, die “großen” einer Branche zu bevorzugen.

Aufgrund des schwierigeren Wiederverkaufs (und teilweise geringerer Diversifizierung) sehe ich es weiterhin als klug, bei kleiner Marktkapitalisierung einen Risikopuffer zum fairen Wert zu fordern – mehr als bei bekannten Großkonzernen. Trotzdem halte ich die Chancen, die sich aus der mangelnden Aufmerksamkeit für einige kleine Werte ergeben für beachtlich, und die Wahrscheinlichkeit hier auf Unterbewertung zu stoßen für besonders hoch. Genug Potential also, um hier im Blog noch eine Menge weiterer Aktien herauszufischen und einem Bewertungsversuch zu unterziehen.

Was meint ihr? Ich nehme an, dass die Meinungen zum Thema Small-Caps recht verschieden sein dürften, gebt also gerne einen Kommentar ab – und nennt mir gern auch Aktien die ich bislang wie der breite Markt vielleicht übersehen habe.  😎

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.