Warum ein hohes Renditeziel wichtig ist

Nachdem ich im letzten Beitrag ja beklagt hatte, dass ich im deutschen Nebenwertemarkt kaum noch überzeugende Aktien finde (zumindest was den Preis angeht) habe ich mir weitere Gedanken über meinen Anlagestil gemacht. Daher  möchte ich heute auf ein Thema eingehen, dass man wegen seiner Auswirkungen auf die Anlagedisziplin kaum unterschätzen kann: das Renditeziel.

Ich habe mir schon vor einiger Zeit bezüglich der Aktienauswahl ein anspruchsvolles Ziel gesetzt: Ich habe mir vorgenommen nur noch nach Aktien zu suchen, bei denen ich eine Rendite von mindestens 10% pro Jahr erwarten kann. Und zwar nicht im optimistischen Fall. Nein, ich will unter vorsichtigen Annahmen fast sicher sein, dass ich mindestens diese 10% schaffen kann.

Ein Ziel von 10% – unrealistisch?

Verschiedene Statistiken zeigen auf, dass Aktien im Schnitt über viele Jahrzehnte um die 7% jährlichen Gewinn erzielt haben (inklusive Dividenden). Weiter zeigen verschiedene Studien, dass selbst professionelle Fondsmanager den breiten Index in der Masse nicht schlagen sondern erheblich schlechter abschneiden!

Wenn man also davon ausgeht, dass die professionellen Fondsmanager nur 6% schaffen – ist es dann nicht überheblich sich selbst 10% vorzunehmen?

Nun, das ist eine gute Frage. Meine Argumente für ein absolutes Renditeziel beziehen sich denn auch weniger auf die 10% als viel mehr auf ein beliebiges festes Ziel und wenig spricht dagegen, sich 7% auszusuchen oder 15%. Ich bin mir aber trotzdem sicher, dass man als Privatanleger die Profis schlagen kann – schließlich geht es nicht um Leistungssport für den man viel trainieren muss, sondern oft auch um Geduld und den richtigen Blick für Schnäppchen. Lasst mich also starten mit der Erklärung, was so ein absolutes Renditeziel bringt:

Was bringt ein festes Renditeziel?

  • Rendite ist der wichtigste Faktor für den Vermögensaufbau: Ich habe mir neulich mit Excel mal ausgerechnet, wie lange ich bei welchen Renditen und Sparraten brauche bis ich theoretisch nicht mehr arbeiten muss. Das Ergebnis war interessant: Wenn ich meine Sparrate von 1000€ auf 2000€ verdoppele bringt das für mein Vermögen in 20 Jahren viel weniger, als wenn ich meine Rendite von 10% auf 15% im Jahr erhöhe! Wenn ich realistisch noch deutlich vor der Rente finanziell unabhängig werden will, dann brauche ich deutlich zweistellige Renditen. Mit einem ETF (geschätzte 6-7% Rendite) hat man daher nicht nur weniger Spaß bei der Aktienanalyse, sondern braucht eine halbe Ewigkeit. Wenn ich meine Rendite dagegen auf 10-15% bringen kann brauche ich nur halb so lange arbeiten wie andere…
  • schnelles Ausfiltern: Ein normaler Mensch, ob professioneller Investor oder wie ich auch noch anderweitig berufstätig, hat begrenzte Zeit zur Aktienauswahl und kann nur einen kleinen Teil der Aktien genauer betrachten. Wenn man sich nicht mit mittelmäßigen Ideen abgeben möchte muss man diese schnell beiseite legen.
    Ein Beispiel: Ein Unternehmen mit KGV 20 (entspräche Gewinn-Rendite von 5%) mit einem jährlichen Gewinnwachstum von 5% ist (mir) selbst unter der Annahme dass es weiter glatt läuft zu teuer. Bis man die 10% Rendite im Jahr erzielen kann, also ein KGV von 10 auf seinen Kaufkurs bekommt, muss man etliche Jahre warten. In dieser Zeit kommt es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Börsencrash, zu einer veränderten Wettbewerbssituation oder anderen Ereignissen die man schlecht vorhersehen kann.
    Das Unternehmen wird sicherlich einige Qualität haben, sonst hätte es nicht eine Bewertung mit einem 20er KGV und ein mit 5% überdurchschnittliches Wachstum. Aber es wird die Renditeansprüche schwer erfüllen! Und noch wichtiger: wir wissen, dass es Unternehmen gibt die diese Ansprüche sehr wohl erfüllen können (sonst hätten Investoren wie Buffet und Lynch nicht langfristige Renditen von bis zu 30%  im Jahr erzielt)!
  • Unabhängigkeit vom Bewertungszyklus der Börse: An der Börse gibt es bekanntlich immer wieder Phasen hoher Bewertung und Phasen niedriger Bewertung. Was genau hoch und niedrig ist ist in dem Moment nicht immer klar, aber es ist klar dass beide Phasen immer wieder kommen. Die Bedingung einer minimalen Rendite bezieht sich auf einen langen Zeitraum und Gewinne die im Schnitt über verschiedene Konjunkturzyklen zu erwarten sind. Aktuell sind die Bewertungen allgemein schon recht hoch und viele Industrien in einer zyklisch sehr guten Phase. Das Risiko dabei ist, dass man sich dem teuren Markt anpasst und Schritt für Schritt immer teurere Unternehmen kauft. Wenn man eine absolute und auf Fundamentaldaten basierende Rendite fordert, wird man in immer teureren Märkten irgendwann gezwungen auszusteigen oder auf günstigere Aktien zu setzen, welche die Renditeerwartung eher erfüllen können.
    Wenn man solche guten Renditen in Zeiten hoher Börsenbewertungen findet, dann muss man sich auch in den billigeren Phasen nicht ärgern: entweder hält sich das Investment stabil und man kann es gegen ein günstigeres eintauschen, oder der Kurs sackt ab, aber man hat dann eine sehr deutlich zweistellige Rendite zu erwarten. (Oder im schlechten Fall: man hat sich schon am Anfang verrechnet und stellt jetzt fest dass die Investmentthese nicht aufgeht. Dann muss man aber eh verkaufen!)
  • Sicherheitsmarge: Die erhöhte Anforderung an die Rendite eines Investments bietet auch eine SIcherheitsmarge: wenn ich die Rendite um 30% überschätzt habe, bin ich immer noch bei einer besseren Rendite als der Markt! Das ist nicht zu unterschätzen, da sich Fehler auch in die beste Analyse schleichen, und da man nie die Zukunft und die ganzen Einzelheiten der Firmen kennt in die man investiert.
  • Zeiteinschätzung: Nicht alle Investments sind auf Kaufen-und-Behalten ausgelegt, im Gegenteil kann man sehr erfolgreich zum Beispiel auf Net-Net-Strategien zu setzen wie ich es bei Balda (heute Clere) gemacht habe. Dabei kauft man ein Unternehmen unter seinem Netto-Liquidierungswert und hofft dass dieser Wert von einem anderen Investor bezahlt wird oder als Dividende an die Aktionäre ausgezahlt. Wichtig ist aber, dass der Preis tief genug unter dem berechneten Nettowert liegt, denn manchmal können Jahre vergehen in denen nichts geschieht. Ein Abschlag von einem Drittel würde es rechtfertigen, dass man erwartet in einem Zeitrahmen von 3 Jahren den inneren Wert zu heben. Wenn strukturelle Dinge wie ein unkooperativer Großinvestor dem im Weg stehen und es mit hoher Wahrscheinlichkeit eher Jahrzehnte dauern wird, dann sollte man vorsichtig sein.
    Mit Unternehmen unter Buchwert, bei denen man eine Rückehr zu normalen Werten (also dem Buchwert) erwartet, die aber auch profitabel sind, kann man ebenso schätzen in welchen Zeiträumen man welche Verbesserung erwarten muss und ob das realistisch ist.
  • Konzentration auf die Spitzenideen: Durch möglichst harte Renditevorgaben zwingt man sich selbst dazu, nicht mittelmäßigen Ideen hinterherzulaufen – stattdessen muss man die wirklich besten Unternehmen und Aktien finden die der Markt hergibt. Man muss oft genug Nein sagen. Und man ist nicht so schnell dem Problem des über-Diversifizierens ausgesetzt und kann all seine Investments noch im Blick behalten!

Worauf bezieht sich das Renditeziel?

Nun könnte man einwerfen, dass die kurzfristigen Schwankungen der Börsenkurse kaum vorherzusagen sind und der Preis einer Aktie oft irrational ist. Mein Renditeziel bezieht sich aber nicht im wesentlichen auf die Börsenkurse. Vielmehr will ich schätzen wie stark das Vermögen und das Gewinnpotential eines Unternehmens ansteigen werden. Dem entspricht auch meine Idee mein Depot wie ein konsolidiertes Unternehmen zu betrachten und bei jedem Kauf, Verkauf oder Positionsaustausch zu bedenken, ob sich das “konsolidierte” Depot dadurch wirklich verbessert.

Die Ausnahme von Schätzungen über die langfristige Gewinnentwicklung sind Net-Nets bei denen ich nur wegen dem vorhandenen Vermögenswert investiere – diese sind aber in der Regel auch höchstens mittelfristige Anlagen.

Bei Aktien die ich als langfristige Position betrachte sollte dagegen der Buchwert auch langfristig im Rahmen meiner Zielrendite steigen können. Das heißt konkret: Die Eigenkapitalrendite sollte langfristig mindestens im Bereich meiner Zielrendite liegen, am besten wesentlich höher. Andernfalls muss man sich auf eine Vergrößerung der Bewertungsmultipel verlassen, was nur in wenigen Fällen (Turnarounds, Net-Nets, günstige antizyklische Investitionen) zu erwarten ist. Dadurch ist man im Prinzip schon gezwungen Unternehmen mit besonders niedriger Bewertung oder aber Unternehmen mit besonders guter Wettbewerbsposition zu kaufen.

Wie hoch sollte ein Renditeziel sein?

Ich glaube es ist gut, sich das Renditeziel so hoch zu setzen wie man realistischerweise noch einige Unternehmen findet, die es erfüllen. Ich habe mich für 10% entschieden, da ich es für realistisch halte und es sich außerdem relativ gut rechnet. Natürlich versuche ich darüber hinaus gerne etwas mehr mitzunehmen, in den letzten drei Jahren lag meine Rendite bei mehr als 30% im Jahr – was allerdings auch an den heftig gestiegenen Bewertungen liegt und sicherlich die nächsten drei Jahre geringer ausfallen wird.

Zielsetzungen über 20% hinaus sind meiner Meinung nach unrealistisch und verleiten eher zu hohen Risiken und Investitionen in Lotterie-Aktien. Und das Ziel ist ja eben nicht in einem Jahr Rekordgewinne zu machen und im nächsten alles zu verlieren. Ich will nachhaltig und langfristig mein Vermögen steigern.

Ein zu anspruchsvolles Ziel schränkt darüber hinaus schon die Auswahl an potentiellen Kandidaten sehr stark ein. Das ist wie oben erklärt auch ein sehr guter Effekt, hier würden für mich aber wesentlich zu viele Firmen durch das Raster fallen. Entsprechend würde schon die Suche nach geeigneten Kandidaten so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass ich am Ende kaum noch die eigentlichen Unternehmen analysieren könnte.

Faustregeln

Ich habe einige Faustregeln, die ich im Hinterkopf anwende wenigen ich einschätze ob ein Unternehmen von der Bewertung her in meine Renditeerwartung passt.

Inverses KGV: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist die klassische Bewertungskennzahl für Anfänger. Der Kehrwert davon ist die Gewinnrendite. Wenn ich ein Unternehmen mit absolut stabilem Geschäft zu einem KGV unter 10 sehe (und das Unternehmen nicht unverhältnismäßig verschuldet ist) kann ich grob gesagt mit meinen 10% Rendite rechnen. Genauer ist eventuell Enterprise Value zu Gewinn, und man muss gleichzeitig einen ROI (Return on Investment) von 10% fordern.

Buchwertwachstum: Das langfristige Wachstum des Buchwertes (gegebenenfalls zuzüglich der Dividendenrendite) ist ebenfalls ein guter Indikator dafür, ob ein Unternehmen eine gute Investition sein kann oder nicht. Langfristig heißt in dem Fall mindestens bis vor die letzte Rezession bzw 10 Jahre zurück. Wächst ein Unternehmen nicht merklich, dann schafft man eine gute Rendite nur wenn man weit unter dem Buchwert kauft.
Natürlich ist das entscheidende das Wachstum der Zukunft und nicht der Vergangenheit, aber oft setzt sich eben die Vergangenheit einfach fort. Um bei einem in der Vergangenheit beim Buchwert stagnierendem Unternehmen an deutliche Wertsteigerung zu glauben muss ich daher schon sehr gute Gründe sehen.

Wachstumsrate: Schwierig ist vor allem die Bewertung von stark wachsenden Firmen. Die richtigen Wachstumsunternehmen zum richtigen Zeitpunkt zu kaufen kann enorme Gewinne bringen. Hier schaue ich vor allem, ob das Wachstum nachhaltig erscheint (vor allem sollte es nicht durch überproportionale Schuldenaufnahme erreicht werden, sondern bei stabilen Bilanzrelationen und Margen. Ist das der Fall und die Wachstumsraten scheinen für längere Zeit nachhaltig zu sein, dann ist die Faustregel dass sich der Buchwert/Umsatz/Gewinn etc bei 10% Wachstumsrate in 7 Jahren verdoppelt, bei 15% Wachstumsrate in 5 Jahren, bei 20% in 4 Jahren und bei 26% in drei Jahren verdoppelt. Dementsprechend kann man sich überlegen wie viel Aufpreis man bezahlen würde oder wie lange man warten möchte bis man endlich ordentliche Dividenden aus der Investition erwarten kann.

Am Ende nimmt einem natürlich trotzdem niemand die eigentliche Analysearbeit ab, und auch 10% erfordern eine Menge Arbeit.

7 Gedanken zu „Warum ein hohes Renditeziel wichtig ist

  1. Hallo Tobi,

    hast Du Dir schon einmal die Deutsche Rohstoff angesehen- aufgrund meinen Berechnungen müsste diese mit deinen “Renditezielen” übereinstimmen

    LG

    Christian

    1. Hi,
      ja ich habe die Firma durchchaus auf dem Radar und weiß dass sie bei den aktuellen Ölpreisen einiges an Geld verdienen kann. Allerdings sehe ich durch die Abhängigkeit vom Ölpreis (und anderen Rohstoffpreisen) ebenfalls signifikante Risiken. Beim Öl erwarte ich zwar eigentlich weitere Erholung, aber ich fühle mich eigentlich besser mich nicht vom Ölpreis als solchem abhängig zu machen, sondern schaue mir aktuell die Zulieferer ein wenig besser an.

  2. Hi Tobi,

    toller Beitrag. Ich gehe meinen Immobilien ähnlich vor. Höhere Renditen sind immer besser, vor allem weil man bei Immobilien hebelt und dann noch grössere Gewinne einsackt. Und die Rendite (Miete) ist viel einfacher vorhersagbar als Aktien-Renditen.

    Viele Grüsse,
    Alexander vom vermietertagebuch.com

  3. Ohne hohe Renditeziele können wir gleich in Index-Fonds und Co. investieren. Wer nicht vor hat den Markt zu schlagen, ist passiv sicher oft besser dran 😉

  4. Professionelle Fonds arbeiten mit festen Risiko-Sätzen, dementsprechend kann die Rendite den Markt auch nur selten schlagen. Wer vertraglich dazu verpflichtet ist, max. 10% in einem Jahr zu verlieren, kann auch keine 20% Rendite machen. Großanleger interessiert es nicht, den Markt zu schlagen – sondern möglichst kleines Risiko zu fahren. Dafür werden kleinere Gewinne in Kauf genommen.

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