Wenn mein Aktiendepot ein Unternehmen wäre

Man bekommt unter Valueinvestoren ja so oft zu hören dass man nicht in Wertpapiere sondern in Unternehmen investiert, dass eine Wiederholung dessen nun keinen Artikel rechtfertigt. Aber in der Praxis ist es mitunter doch schwerer als man zugeben will, wirklich langfristig und Unternehmerisch zu denken.

Deshalb ist die Idee des Artikels eine andere: Ich will mein Depot (am Beispiel meines wundervollen und durch gute, vielleicht auch einfach glückliche Aktienwahl sehr gut gewachsenen Wikifolio-Musterdepots) betrachten, als ob es ein Unternehmen ist. Ein Unternehmen, das ich anhand seiner Kennzahlen – Gewinn, Eigenkapital, Cashflow oder was immer eure Lieblingskennzahl ist – einschätzen kann. Ist es teuer? Billig? Langfristig gut aufgestellt? Würde ich darin eigentlich auch insgesamt investieren wollen?

Fast genau diesen Artikel habe ich eigentlich vor ziemlich genau 2 Jahren schon einmal veröffentlicht (hier nachzulesen)- und damals auch die Idee begründet.

Ich will mir beim kaufen und verkaufen von Aktien keine Gedanken darüber machen, ob sie in den nächsten Wochen steigen oder fallen. Ich will darüber nachdenken, ob es zum Gewinn meines konsolidierten Portfolios langfristig besonders viel beitragen kann. Ich würde es lieben, wenn all die (oft viel zu teuren oder schlechten) Investmentfonds solche Kennzahlen anstatt der Kursentwicklung von Benchmarks zum Referenzpunkt machen – wurde das zugrundeliegende Eigenkapital der enthaltenen Unternehmen besser gesteigert als die Gesamtwirtschaft? Wurden Gewinne erzielt und gesteigert? Waren Umschichtungen tatsächlich wertschaffend?

Eigentlich hatte ich im oben verlinkten Artikel ein Versprechen abgegeben: Ich wollte im Jahr 2016 einen Vergleich anstellen, wie sich der Buchwert der im Wikifolio enthaltenen Aktien entwickelt hat. Das habe ich leider versäumt und hole es nun hiermit nach. Der Kurswert hat sich ja deutlich erhöht – aber wie weit liegt das vielleicht nur an der im Niedrigstzinsumfeld gestiegenen Unternehmensbewertungen?

Das Wikifolio-Musterdepot startete Anfang 2015 mit einem virtuellen Startkapital von 100.000 €. Im Mai 2015 kam es dann auf einen Buchwert der gehaltenen Firmen von 68.000 € plus knapp 15000 € Cash – zusammen also fast 83.000 € . Der Jahresgewinn der enthaltenen Firmen entsprach im Jahr 2014 insgesamt 6610€. Wo stehen wir heute, nachdem der Kurswert des Wikifolios von 110% auf 177% gestiegen ist?

Zur Berechnung werde ich der Einfachheit halber die kleinen Positionen, die ich mit eher wenig Nachforschungen aufgrund ihrer Qualität oder Preises als Geldparkmöglichkeit (hauptsächlich in Schwächephasen der Börsen) gekauft habe nur als Finanzinvestition zählen. Das betrifft Werte wie Johnson & Johnson, Bridgestone, Euler Hermes, Oracle usw…

Die aktuellen Werte sind wie folgt:

Firma

Anzahl im Wikifolio

Buchwert/Aktie 2016

Gewinn/Aktie 2016

BW2016

Gewinn2016

Aareal

500

43,1

3,33

21550

1665

Bank Rakyat Indonesia

3200

0,41

0,073

1312

233,6

Bavaria

100

38,4

3,48

3840

348

BMW

50

65,11

10,45

3255,5

522,5

Hypoport

190

10,34

3

1964,6

570

IBM

111

18,5

11,85

2053,5

1315,35

IVU

3000

2,16

-0,01

6480

-30

Polytec

2000

8,25

1,65

16500

3300

Sixt

380

20,57

3,02

7816,6

1147,6

Steico

1000

8,91

0,92

8910

920

Wizz Air

400

5,42

1,78

2168

712

     

75850,2

 

10704,05

sonstige

   

14011

Cash

   

13000

Summe

    

102861,2

 

10704,05

Insgesamt – (das heißt wenn ich die Mini-Positionen zum Marktwert ansetze) – komme ich auf einen Buchwert des Wikifolios von 102.861€ . Das ist eine deutliche und beachtliche Steigerung gegenüber dem Stand mit 83.000 von vor zwei Jahren (wo auch noch Deutsche Bank und Societe Generale als Werte deutlich unter Buchwert enthalten waren). Es ist aber keine so deutliche Steigerung wie die Wertsteigerung des Wikifolio-Kurswertes. Die Steigerung liegt aber in etwa im Rahmen meiner Zielsetzung von mindestens 10% Rendite im Jahr, so dass ich mich gut auf Kurs sehe. Der Gewinn ist trotz des kompletten Ausfalls von IVU (die auch damals schon enthalten waren und mit einem 10% – Anteil eingekauft wurden) auf virtuelle 10700€ gestiegen (von 6610). Mit den “Gelegenheitsanlagen” die ich nicht einberechnet habe wäre er sogar noch höher, ich denke bei knapp 12000. Mein Musterdepot hätte somit ein zugrundeliegendes KGV von etwa 15, was bei den heutigen Bewertungen gar nicht einmal so hoch erscheint.

Ganz zufrieden bin ich aber noch nicht. Mein Ziel ist es, wieder stärker unterbewertete Unternehmen zu identifizieren, am besten solche mit gutem Wachstum. Außerdem ist mein Anteil von eher Konjunktursensitiven Unternehmen recht hoch, so dass mehr Qualitätsunternehmen dazukommen sollten. Falls Polytec oder Steico ihren starken Kursanstieg fortsetzen, werde ich auch über Umschichtungen in andere Firmen Werte nachdenken. Mit der bisherigen Entwicklung bin ich aber sehr einverstanden! Und wenn ich nun weiß, was mein (anders gewichtetes) privates Depot eigentlich an Gewinnen eingefahren hat, habe ich gleich eine ganz andere Motivation weiter zu investieren 🙂

Was meint ihr? Habt ihr schon in dieser Weise über eure Ersparnisse nachgedacht?

7 Gedanken zu „Wenn mein Aktiendepot ein Unternehmen wäre

  1. Wenn mein Wertpapierdepot eine Aktiengesellschaft wäre, würden sich die Aktionäre um die Aktien reißen.
    Mein Ziel war es, den langfristigen Zuwachs des DAX von 16% pA. zu schlagen.
    Momentan habe ich eine durchschnittliche Rendite von 4,47% pro Monat.
    Das ergibt bei Reinvestition der Erträge eine Jahresrendite von 69% vor Steuern.

    Allerdings reche ich in der 2. Jahreshälfte mit weniger Rendite.
    Bezogen auf den Depotbestand am Jahresanfang möchte ich aber die (12 x 4,47%) also etwa 48 – 54% Rendite p.A. und vor Steuern schaffen.

    Ein eigenes Wikifolio habe ich nicht, weil ich dann die gekauften Titel offen legen müsste, was mir Konkurrenz am Markt einbringen würde.
    Ich halte nicht nur Aktien, sondern auch Zertifikate und in geringen Umfang auch Optionsscheine.

    1. Nun ja, die Frage ist aber auch wie riskant dein Portfolio ist. Bei den Renditen und insbesondere den Zeiträumen in denen du da rechnest scheint deine Strategie eher kurzfristig ausgerichtet und vermutlich auch relativ riskant zu sein. Als Value-Investor braucht man zum Beispiel keine Angst haben dass Konkurrenten sehen was man kauft – man handelt ja langfristig.

      Außerdem war die Intention ja eben nicht die Kursgewinne des Portfolios zu sehen, sondern wie sich die langfristigen Positionen operativ entwickeln.

  2. Das mit dem umrechnen der Gewinne habe ich auch schon gemacht. Müsste ich mal wieder.

    Was ich auch interessant fand war “Angestellte pro Aktie”. Wie viele Leute habe “ich” mit meinem Kapital angestellt 🙂
    Das waren wenigen als ich dachte, hängt natürlich mit der personalintensität der Unternehmen zusammen. Das könnte ich auch mal wieder nachrechnen.

    Tom

    1. Hmm, das könnte tatsächlich interessant sein – aber ist ja je nach Branche sehr unterschiedlich und kaum Vergleichbar. Bei guten Unternehmen hat man ja meistens mehr als 100000€ Umsatz pro Mitarbeiter – zumindest mit meinem privaten Vermögen bin ich noch in einem Bereich der eher einer Praktikantenstelle entspricht 😀

      Aber ich gebe dir recht, wenn man das mit Depots von ansehnlicher Größe macht ist das sicher interessant und vor allem motivierend.

      1. Natürlich ist die Kennzahl für die Bewertung oder was auch immer sinnlos. Mir ging es nur darum zu sehen, wie viele Arbeitsplätze mein Investment finanziert.

        Und wenn es darum geht, das Depot als Unternehmen zu betrachten, ist das ein durchaus hilfreicher Schritt, Aktien nicht nur als Trading-Vehikel zu betrachten, sondern als etwas Reales.

        Zur Praktikantenstelle: das ist absolut betrachtet ja völlig egal. Was auch immer herauskommt, das hängt davon ab, wie viel Kapital du zum Investieren zur Verfügung hast. Der eine hat halt mehr, der andere weniger.

        Könntest du mit dem Kapital aus deinem Depot, wenn du es herausnehmen würdest, etwas Sinnvolleres machen? Ein eigenes Unternehmen aufbauen und einen Praktikanten anstellen?

        Das sind rein rhetorische Fragen, die ich mir gestellt habe. Und deswegen habe ich mir das ausgerechnet. Und es passt zum Titel dieses Artikels, finde ich zumindest 😉

        Gruß
        Tom

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