Die seltsame Bewertung der Tech-Riesen

Die Welt Anfang 2015: Die Aktien steigen unaufhaltsam, nachdem die EZB mit allen Mitteln Geld unter das Volk bringt und den Euro schwächt. In Euro gerechnet sind daher alle vernünftigen Aktien schon gefährlich teuer geworden. Alle? Nun ja…

In der Tat sind die Aktien unterschiedlich schnell gestiegen, aber fast alle sind es. Selbst die Öl-Aktien sind nicht gemeinsam mit dem Ölpreis kollabiert und viele andere erreichen ständig neue Rekordstände. Wie so oft ist aber das Interesse der Börsianer nicht gleichmäßig verteilt – und hat mich in einem Punkt gerade ziemlich überrascht.

Wenn Konzerne wie Henkel, Fresenius, Infineon oder Bayer (oder auch Brenntag, Gea, VTG, Springer oder Osram aus der zweiten Reihe) mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von über 20 gehandelt werden, sollten dann andere – die seit Jahren stabil hohe zweistellige Umsatzrenditen und exorbitante Kapitalrenditen einfahren und dazu noch ständig wachsen – nicht noch wesentlich höher eingestuft werden? Die Rede ist von Giganten der Tech-Branche, von Firmen wie IBM, Ebay, Google, Cisco, Oracle, SAP. Diese sehen in der Tat günstiger aus als viele Unternehmen, die ich eher als zyklisch und langfristig weniger profitabel einschätzen würde. Was ich meine soll ein kleiner Blick auf die Zahlen verdeutlichen:

Name Buchwert/Aktie 2004 Buchwert/Aktie 2014 jährliches Wachstum BW KBV (bzgl. 2014) KGV 2015 geschätzt
IBM 18,07 $ 20,12 $  1% 7,7 9
SAP 3,63 € 16,31 €  16,2% 4 18
Oracle 1,55 $ 10,92 $  21,5%  3,9 14
Cisco 3,83 $ 11,09 $  11,2% 2,4 13
Ebay 4,85 $ 15,91 $  12,61% 3,7 18
Google 10,97 $ 256,3 $  37%  2,2 20
 Microsoft  6,89 $  11,2 $  5%  3,6 15

Natürlich sagt das Kurs-Buchwert-Verhältnis alleine wenig aus, und in den Steigerungsraten werden die Ausschüttungen an die Aktionäre ebenfalls nicht angemessen berücksichtigt. Dennoch: Angesichts einer Umsatzrendite bei Oracle von über 30% oder der enormen Marktmacht von Google hätte ich mit mehr gerechnet – denn die sich daraus ergebenden (geschätzten) KGVs liegen hier nicht erkennbar über dem Schnitt. Insbesondere IBM sticht hier hervor, trotz enormer Ausschüttungen an die Aktionäre. Und selbst wenn die Schätzungen zu optimistisch sein sollten: wer so viel Cash generiert wie die obigen Konzerne, der wird das irgendwann dazu einsetzen weiter zu wachsen und neue Geschäfte zu erschließen oder Wettbewerber aufzukaufen.

Bestes Beispiel ist Microsoft: seit ich mich erinnern kann, wurden über Windows Witze gemacht, sich über Abstürze geärgert, Viren und Sicherheitslücken entdeckt oder Kartellklagen geführt, viele Windows-Versionen sind oder waren unbeliebt und es gibt mit Linux eine Alternative, die zum ultimativen Kampfpreis von 0€ verschenkt wird und nicht so Virenanfällig ist. Hat das Microsoft gestört? Nein, denn der ökonomische “Burggraben” in Form von Netzwerkeffekten  ist so groß und tief, dass der Marktanteil beständig über 90% blieb und das Geld sprudelte. Der einzige Grund zur Besorgnis ist, dass durch den technologischen Wandel zu mobilen Systemen Google mit Android eine Angriffsmöglichkeit gewonnen hat. Dennoch lässt sich Microsoft nach wie vor nicht abschreiben und die Aktionäre erfreuen sich an ständig neuen Gewinnen, zur Not werden einfach die Geschäftsbereiche gekauft, die man gern besetzt hätte.

Meiner Meinung nach sind ähnliche Mechanismen und Burggräben bei sehr vielen Softwareunternehmen am Werk, wodurch diese zusätzlich zum geringen Kapitalaufwand für Wachstum noch mit überragenden Renditen belohnt werden. Daher könnten sich die aktuellen Gewinne ohne Probleme als langlebig und stetig wachsend herausstellen.

Die Gefahr besteht nun immer dann, wenn die Technologie neue Anwendungen oder Werkzeuge hervorbringt, die ein anderer womöglich besser und schneller meistert. Das wird entweder sehr teuer, oder es wird mit dem Verlust des ganzen Marktes bestraft. Hier steht aber gerade die Kapitalstärke dem schnellen Untergang entgegen. Der Technologische Wandel hin zur Cloud ist es jedenfalls, der SAP und Oracle im Moment zusetzen könnte. Bei Microsoft ist das Problem mit Android allgemein bekannt, und IBM trauen viele wahrscheinlich kein Wachstum mehr zu. Probleme kann man bei genauerem hinsehen aber überall identifizieren. Ich sehe die Größen der Tech-Branche (insbesondere Software) aber insgesamt als wesentlich attraktiver an als den Durchschnitt des Aktienmarktes. Meine nächsten Analysen (ich hoffe ich finde wieder mehr Zeit…) sollen sich daher um solche Unternehmen drehen. Und falls jemandem noch weitere Kandidaten mit Wachstum, riesigen Renditen und akzeptablen Bewertungen einfallen – schreibt mir einfach nen Kommentar!

Bis ich Zeit gefunden habe zu analysieren, kann ich folgende Artikel von anderen Bloggern empfehlen:

Offenbar bin ich also nicht der einzige, der diesen Bereich interessant findet – viel Spaß beim lesen so lange 😉

5 Gedanken zu „Die seltsame Bewertung der Tech-Riesen

    1. Hallo Emanuel,
      ich persönlich halte mich von Russland fern. Man sagt zwar “politische Börsen haben kurze Beine” (das stimmt sicher auch), jedoch sind hier 2 Unbekannten die mich massiv stören. Auf der einen Seite der Rubel und auf der anderen Seite die Unberechenbarkeit der russischen Politik. Die Gefahr der Enteignung ist mir doch irgendwie zu groß.

      So eine Investition in den russischen Aktienmarkt sehe ich eher als “Gamble” an.

      Viele Grüße

  1. Gratulation, sehr schöne Artikel. Ich bin persönlich und über mein Wikifolio “ESCON Value & Special Situations” in CISCO investiert. CISCO habe ich näher analysiert und bin begeistert vor allem vom Cashflow, den dieses Unternehmen generiert. Zudem sitzt man bei CISCO auf ca. 52 Mrd. USD Cash. Mit dem Abgang von John Chambers, der schon seit Langem erwartet wird, könnte hier wie ehemals bei Microsoft wieder Phantasie aufkommen und der Aktie helfen. Man beachte allerdings gerade bei den Amerikanern die immer weiter um sich greifende Verwendung von non-GAAP results. Ich verwende für meine Analysen lieber die vorsichtigeren GAAP results. In den non-GAAP results läßt sich wunderbar alles mögliche an “Sondereffekten”, “Einmalaufwendungen” usw. herausrechnen, wie es dem Unternehmen gerade beliebt. Vielleicht werde ich den Gedanken aufgreifen und mal eine Artikel zum Thema GAP vs. non-GAAP schreiben.
    Ich glaube, dass diese Titel – obwohl TEC Werte – mittlerweile schon fasst als langweilig angesehen werden. CISCO hat sich z.B. im Laufe der letzten 10 Jahre nach dem Platzen der dot.com Blase vom gehypten new economy Wert zum Valuetitel entwickelt.

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