Börsenherbst – aktuell überbewertete Aktien

Nachdem ich normalerweise ja nach möglichst günstigen Aktien suche, schaue ich mir heute einmal die andere Seite an und beschäftige mich mit überbewerteten Aktien.

Warum?

Im Moment ähnelt die Börse verblüffend einem herbstlichen Ahorn: Die vorherrschende Farbe auf den Kurszetteln wechselt von Grün zu Rot. Die Blätter – Pardon, die Anteilsscheine – beginnen einer nach dem anderen zu fallen. Die Stimmung trübt sich ein wie das Wetter im November, und wie stark sich die aktuellen Krisen auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken werden liegt im Nebel wie eine morgendliche Landstraße. Wer klug war hat die reifen Aktienfrüchte geerntet, als der DAX über 10000 Punkten stand – und kann mit dem Cashvorrat im Winter die Samen der nächsten Kursgewinne in den von Mario Draghi gut gefluteten Boden säen…

Ok 😉 – genug der herbstlich-depressiven Vergleiche, ich komme schon zum Thema: Ich halte es für klug, in der momentanen Situation abzuwarten, wie weit die Kurse der einzelnen Aktien noch zurückkommen – auch wenn der Dax bereits 10% verloren hat. Wirklich günstige Aktien sind ohnehin im Moment schwer zu finden. Ich wage die Prognose dass es noch ein kleines Stückchen weiter abwärts geht sobald die Charttechniker reihenweise Verkaufssignale entdecken (wie etwa das Fallen der Kurse unter beliebige mysteriöse Durchschnittslinien…) – die den Trend erst richtig verstärken.

Fundamentale Bewertung

Aber es gibt auch fundamentale Gründe, die für niedrigere Kurse sprechen: wenn es fast keine günstigen Aktien mehr gibt (oder sie wie bei MeVis dann sehr hohes Risiko haben), dann gibt entsprechend viele überbewertete Aktien, die deutlich zu teuer sind. Mit der Frage, welche Aktien das im DAX, MDAX, TECDAX oder SDAX betrifft (meiner bescheidenen Meinung nach) will ich mich heute beschäftigen.

Natürlich ist die Suche nach überbewerteten Aktien im DAX prinzipiell genauso aufgebaut wie die Suche nach unterbewerteten Aktien. Man muss sich die Kennzahlen anschauen, die Geschäftsentwicklung versuchen abzuschätzen, und letztendlich eine vom Börsenpreis der Aktien möglichst unabhängige eigene Bewertung vornehmen. Wenn die eigene Bewertung, ohne dass man allzu viele Abzüge am Wert macht, wesentlich unter dem Börsenpreis liegt, ist das eine Überbewertung. Zumindest, falls die eigene Bewertung sich als gute Schätzung des tatsächlichen Wertes erweisen sollte.

Kriterien

Da ich nicht die Zeit vergeuden will, detaillierte Unternehmensanalysen zu erstellen obwohl ich die Aktien ohnehin nicht kaufen werde, versuche ich objektive Kriterien zu finden um die Bewertung schneller zumindest grob einschätzen zu können. Welche eignen sich dazu?

  • Gewinne : Es ist immer eine sinnvolle Bewertung, zu schauen wie viel Gewinn man pro investiertem Euro erhält. Wichtig ist für mich dabei, dass die Gewinne auch über mehrere Jahre einigermaßen stabil fließen, und nicht erst seit gestern – denn dann könnten sie morgen wieder weg sein.
  • KBV: Das Eigenkapital als den Aktionären zustehender Besitz stellt im Idealfall eine gute Näherung an die Substanz des Unternehmens dar. Wenn Unternehmen weit unter ihrem Buchwert gehandelt werden, würde ich nie ohne genaue Analyse von Überbewertung sprechen. Andererseits ist ein hohes KBV auch kein sicheres Zeichen, eine Google ist eben ein Vielfaches der Buchwerte wert.
  • Verschuldung: Ich glaube ja, dass Schulden ein hohes Risiko darstellen, das insbesondere bei niedrigen Zinsen, wie aktuell, unterschätzt wird. Wenn ich also ein Unternehmen mit hohen Schulden sehe, dass auch sonst hohe Bewertung zu haben scheint, sollte man sich die Schuldenquote genauer ansehen. Wenn Unternehmen Nettovermögen haben, das heißt insbesondere mehr Umlaufvermögen und Zahlungsmittel als Verbindlichkeiten, ist das prinzipiell positiv.
    Als Nettoverschuldung rechne ich hier [kurz- und langfristige Verbindlichkeiten minus kurzfristige Vermögenswerte ].
  • Zyklisches Verhalten: Unternehmen mit unbeständigen Gewinnen schwanken auch in ihren Aktienkursen stärker. Wenn die Gewinne bei einem Unternehmen aus einer Branche wie Maschinenbau nun aktuell hoch sind, ziehen die Bewertungen solange mit nach oben bis es zur Gewinnwarnung kommt – und dass die irgendwann kommt, ist bei Zyklikern fast sicher.
  • starkes Wachstum: Je stärker ein Unternehmen wächst, desto höher die Bewertung. Oft ist das auch gerechtfertigt, unter Umständen kann es aber übertrieben werden. Je größer der auf Hoffnung gebaute Teil der Bewertung ist, desto größer ist die Enttäuschung wenn diese nicht erfüllt wird. Beispiel: Adidas
  • Geschäftsaussichten: Bei guten Geschäftsaussichten ist ein Aufschlag in Ordnung. Gerade im Technologiebereich kann sich die Lage aber schnell ändern, genauso in allen Bereichen, die stark von der Politik abhängen (Bsp: Energieversorger, Solarindustrie, Smartphones…). Bei einem unsicheren Geschäftsmodell kann der Umsatz schnell wegbrechen, so dass man einen Abschlag fordern sollte.

 Teure Aktien am Beispiel

Um das ganze anschaulich zu machen, will ich einige Beispiele geben. Zum Teil Unternehmen, die ich schon länger beobachte – die ich auch für lohnenswert halte wenn der Preis niedriger ist – und zum Teil auch andere Unternehmen bei denen mir die Bewertung hoch erscheint. Das ganze ist natürlich höchst subjektiv, keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung und einfach meine Meinung. Darüber hinaus übersehe ich möglicherweise Faktoren, die man bei einer genauen Analyse einpreisen würde, die hier aber aufgrund der Oberflächlichkeit verloren gehen. Aber vielleicht bringt es ja den einen oder anderen zum Nachdenken über die aktuellen Bewertungsniveaus 😉

Beiersdorf

Gewinn/Aktie: 1,67€ im 5J Schnitt, 2,33€ für 2013
Eigenkapital/Aktie: 14,76€
Nettoverschuldung/Aktie: -6,56€
Zyklizität: gering
Wachstum: moderat
Geschäftsaussichten: sehr gut

Preis je Aktie: ~64€

Beiersdorf ist eine großartige Firma, keine Frage. Es gibt einen guten Netto-Bargeldbestand, die Kunden zahlen für Nivea oder Labello einen markenbezogen höheren Preis und sichern hohe Margen, und durch das viele Bargeld könnte man ohne Probleme weiter anorganisch wachsen.
Allerdings ist die Bewertung entsprechend ambitioniert: im Verhältnis wird Beiersdorf ähnlich hoch bewertet wie Google. Meiner Meinung nach besteht da aber immer noch ein gewaltiger Klassenunterschied – Google ist eine perfekte Geldmaschine, unglaublich innovativ und in Märkten mit sehr starkem Wachstum durch Netzwerkeffekte und Quasi-Monopolstellung fast unangreifbar. Für Google scheint mir daher ein 25er KGV durchaus fair – bei Beiersdorf hingegen ist es mir deutlich zu teuer und riskant. Oder gibt es einen Grund, für 2-3€ Jahresgewinn 60 € zu bezahlen?

ThyssenKrupp

Gewinn/Aktie: -3,20€ im 5J Schnitt, -2,82€ in 2013
Eigenkapital/Aktie: 3,96€
Nettoverschuldung/Aktie: 23,73€
Zyklizität: hoch
Wachstum: gering/negativ
Geschäftsaussichten: verhalten

Preis je Aktie: ~18,30€

ThyssenKrupp ist im Prinzip genau das Gegenteil von Beiersdorf: Ein Unternehmen mit bekannten Problemen, hohen Schulden, geringer Profitabilität und hoher Abhängigkeit von der Konjunktur. Allein schon die geringe Eigenkapitalquote nach den Abschreibungen auf verfehlte Investitionen in große Stahlwerke gibt Anlass zur Sorge. Sollte sich die Konjunktur tatsächlich eintrüben, wie es derzeit aussieht, kann es die Stahlbranche empfindlich treffen. Und falls das passiert und ThyssenKrupp negative Cashflows generiert oder Probleme bei der Schuldenrefinanzierung hat wird es eng. Es würde mich daher nicht wundern, wenn in diesem Fall eine massive Kapitalerhöhung durchgeführt werden muss – und bei dem aktuellen Börsenkurs wäre dann vermutlich eine massive Verwässerung der Anteile mit entsprechendem Wertverlust unvermeidlich.
Angesichts dieses Risikos scheint mir die Aktie eine ähnlich schlechte Investition zu sein wie Zalando…

Sartorius

Gewinn/Aktie: 1,95€ im 5J Schnitt, 3,08€ in 2013
Eigenkapital/Aktie: 26,47€
Nettoverschuldung/Aktie: 21,35€
Zyklizität: normal
Wachstum: gut
Geschäftsaussichten: gut

Preis je Aktie: ~83€

Der Labortechnikhersteller Sartorius ist ein Beispiel einer enorm gestiegenen Aktie. War das Unternehmen 2009 noch mit 200 Mio bewertet, ist Mr Market nun der Meinung dass es fast anderthalb Milliarden sind. Ich bezweifle die Korrektheit dieser Bewertung. Sicher waren alle Kurse unter 10€ ein Witz, aber knapp 90€ dann wahrscheinlich auch etwas über dem fairen Wert.

KUKA

Gewinn/Aktie: 0,35€ im 5J Schnitt, 1,72€ in 2013
Eigenkapital/Aktie: 11,18€
Nettoverschuldung/Aktie: -1,52€
Zyklizität: hoch
Wachstum: gut
Geschäftsaussichten: durchschnittlich

Preis je Aktie: ~44,30€

Eigentlich ist KUKA ein typischer Maschinenbaukonzern: Da die Kunden Industriebetriebe sind, hängt das Geschäft maßgeblich an der Investitionskonjunktur der Industrie. Entsprechend gab es in der Finanzkrise herbe Verluste, während jetzt die Gewinne wieder sprudeln. So weit ist das nichts besonderes, allerdings machen die Bewertungskennzahlen stutzig: Ein KGV von 25? Bei einem starken Zykliker, der vor allem von der Autoindustrie abhängt? Vielleicht macht der Bereich “Robotik” den Reiz aus, aber beim nächsten Konjunktureinbruch kommt die Aktie sicher wieder zurück auf ein vernünftigeres Level…

Borussia Dortmund

Gewinn/Aktie: 0,18€ im 5J Schnitt,  0,13€ in Saison 2013/2014
Eigenkapital/Aktie: 1,58€
Nettoverschuldung/Aktie: 1,13€
Zyklizität: extrem vom sportlichen Erfolg abhängig
Wachstum: durchschnittlich
Geschäftsaussichten: durchwachsen

Manch schwarz-gelber Fan wird das vielleicht anders sehen, aber eine Wiederholung der Erfolge, die in den Vorjahren gefeiert werden konnten ist alles andere als selbstverständlich. Fußball von Zufallsentscheidungen, Einzelpersonen und ungesundem Wettbewerb geprägt, und deshalb nur schwer als verlässliches Geschäft zu betrachten. Vor allem die Wettbewerbssituation und der ständige Druck von Fans und Medien falls die Erfolge ausbleiben ist problematisch. Ich halte Sport daher für einen schönen Zeitvertreib und gute Unterhaltung. Aber sicherlich nicht für ein dauerhaft mit hoher Wahrscheinlichkeit profitables und Dividendentragendes Geschäft. Für dieses Geschäft mehr zu zahlen als den Jahresumsatz wird sich also langfristig nicht lohnen.

Zooplus

Gewinn/Aktie: -0,77€ im 5J Schnitt, 0,30€ in 2013
Eigenkapital/Aktie: 6,02€  – Kapital wurde in letzten Jahren stark erhöht
Nettoverschuldung/Aktie: -3,97€
Zyklizität: normal
Wachstum: sehr stark
Geschäftsaussichten: mäßig

Preis je Aktie: ~50€

Zooplus könnte man beschreiben als Zalando für den Heimtierbedarf. Die Margen dürften auch langfristig extrem niedrig liegen, was an der Wettbewerbssituation im Onlinehandel liegt. Aber bisher liegen sie genaugenommen immer bei etwa 0. Die Bewertung ist in der Tat nicht so extrem überzogen wie bei Zalando, sondern liegt unter dem letzten Jahresumsatz, d.h. KUV<1. Trotzdem bleibe ich dabei, dass derart renditeschwache Unternehmen nicht rechtfertigen so hohe Multiplikatoren anzusetzen. Hier könnte schnell ein tiefer Absturz wie bei Delticom anstehen.

Fazit

Ich habe nur die Aktienlisten mit ein paar Kennzahlen gescannt, mir viele Unternehmen gar nicht erst angeschaut, und trotzdem mehrere gefunden, deren Preis mir wesentlich zu hoch wäre. Jeder kann ja für sich überlegen, wie hoch er die Aktien Anhand der Zahlen: Gewinne/Aktie, Eigenkapital/Aktie und Verschuldung/Aktie bewerten würde. Meine Bewertung liegt dann bei diesen Aktien deutlich unter dem aktuellen Preis. Und mir würden noch weitere Aktien einfallen, z.B. die erst seit kurzer Zeit börsennotierten Braas Monier , Ströeer oder Stabilus – einfach weil Börsengänge selten Schnäppchen sind. Insgesamt bin ich froh, wenn ich mit etwas Geld an der Seitenlinie stehen und warten kann. Um zu dem Bild am Anfang zurückzukommen: nach jedem Herbst kommt auch wieder ein Frühling.

Meine persönliche Prognose wäre, dass der DAX auf 8000 (oder noch ein bisschen niedriger) korrigiert, um dann neue Höhen zu erklimmen. Bei Einzelaktien könnte es schlimmer werden, je nachdem wie stark sie an Überbewertung leiden. [Es könnte natürlich auch anders kommen, und meine pessimistische Stimmung ist repräsentativ und zeigt einen guten Einstiegszeitpunkt an…] Falls jemand also in der aktuellen Situation Aktien kaufen will, würde ich ihm daher raten, genauestens auf mögliche Überbewertungen zu schauen – und damit Verluste von Anfang an zu vermeiden.

Kommentare zu weiteren teuren Aktien gerne erwünscht – ich werd in einem Jahr mal schauen, was aus den jetzigen Einschätzungen geworden ist 🙂

2 Gedanken zu „Börsenherbst – aktuell überbewertete Aktien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.