Nachdem ich letzte Woche einen Artikel zu Hypoport veröffentlicht habe (hier), will ich heute von der Hauptversammlung und meiner präzisierten Einschätzung des Unternehmens berichten:
Zunächst einmal hatte ich das Problem, dass (wegen des Poststreiks?) meine Eintrittskarte nicht rechtzeitig angekommen ist. Ich konnte aber mit einer kurzen Mail die Eintrittskarte hinterlegen lassen, und so trotzdem normal teilnehmen (Danke!).
Die HV fand in den Räumen der Hypoport selbst statt, die wie zu erkennen direkt neben der U-Bahn-Station Klosterstraße unweit des Alex liegen. Es waren ca 40 Aktionäre anwesend schätze ich – nachdem im vergangenen Jahr wohl nur eine einstellige Zahl zu verzeichnen war ließ das den Vorstandsvorsitzenden Herr Slabke über die Korrelation mit dem steigenden Aktienkurs witzeln.
Zu den Formalien will ich diesmal nicht viel schreiben, sondern mich darauf konzentrieren, was ich aus den Vorträgen und der Diskussion an neuem für mich mitnehmen konnte. Zunächst stellte Herr Slabke den Konzern allgemein nochmal vor, was im wesentlichen die normale Präsentation war, die ich schon aus Geschäftsbericht und Homepage kannte. Anschließend präsentierten die Vorstände ihre jeweiligen Geschäftsbereiche:
Privatkunden (Gawarecki)
- Er ging auf die zu verarbeitenden externen Probleme im Geschäft ein (Einbruch nach Finanzkrise, Einbruch des Versicherungsgeschäft durch niedrige Zinsen)
- Bereich hat gute Kompetenzen für Leadgewinnung und gut qualifizierte Berater, Auszeichnungen für die Beratung gewonnen
- Dr. Klein hat 8 eigene Filialen, Rest ist Franchise
- neue Europace-Plattform wird gerade eingeführt und soll zu Produktivitätssteigerungen führen
- Nach unten wird der Abstand zu den Wettbewerbern weiter erhöht, nach oben immerhin in etwa gehalten
- Im Versicherungsgeschäft herrscht starker Druck, 40-50% Marktaustritte werden insgesamt für möglich gehalten -> starke Konsolidierung kann aber für die großen zu Chance werden. Hier sollen langsam wieder Gewinne gemacht werden
- Automatisierung in der Verwaltung z.B. der Dokumente: Hier wurden schon etwa 3 Mio € eingespart indem in Technik investiert wurde um etwa Dokumente automatisch einzuscannen, an die entsprechende Akte zu hängen und Vorgänge auszulösen ohne dass ein Bearbeiter daran sitzen muss. Eine Mio soll dieses Jahr noch zusätzlich eingespart werden
Europace/Finanzdienstleister(Wiegand)
- Banken oft technologisch noch nicht auf der Höhe, die meisten akzeptieren die Anträge z.B. noch nicht elektronisch aus dem System, sondern wollen sie ausgedruckt eingereicht bekommen
- Ein Drittel des Wachstums kommt von Regionalbanken, jeden Monat werden etwa 5-6 an die Plattform angeschlossen. Es sind bisher nur 25% der Sparkassen und 10% der Genossenschaftsbanken, aber wahrscheinlich schon 30% der Bilanzsumme
- steigende Unterlegungsvolumen der Finanzierung mit Bausparprodukten – gut funktionierendes Crossselling, aber noch weiteres Potential
- Fondsfinanz, der größte Maklerpool im Bereich Versicherungen will in die Baufinanzierungsvermittlung einsteigen und nutzt dafür die Europace-Plattform, ebenso Check24 als potentiell starker Angreifer im Vermittlungsgeschäft (Europace zu nutzen also offenbar schneller und besser als selbst eine Software zu entwickeln)
- aktuell werden im Prinzip parallel die alte und neue Europace-Plattform genutzt, allerdings soll Umstieg weiter vorangetrieben werden, da die neue weitgehend fertig ist
- In der Plattform sind die Informationen zu Dr.Klein (die sie ja auch nutzen) sauber mit “chinese walls” getrennt, so dass diese auch für Konkurrenten von Dr. Klein ein attraktives Angebot darstellt und unabhängig bleibt.
- erstes Quartal war sehr erfreulich (Marktwachstum), lässt sich wohl aber nicht so direkt weiterprojizieren, kann auch wieder weniger werden
Institutionelle Kunden (Trampe)
- Es gibt eine holländische Tochter, die wohl im Prinzip Bankbilanzen analysiert (also Consulting) und das sehr international
- Verstärkt wird Beratung/Consulting für die Kunden in der Wohnungswirtschaft angeboten. Das Vertrauen der Firmen ist hier wesentlich höher als Banken gegenüber (auch Risiken werden gezeigt), gleichzeitig bietet der Bereich (im Gegensatz zu vielen anderen Consultingfirmen) auch die Umsetzung und nicht nur Konzepterstellung für die Finanzierung.
- Vermittlung, vor allem wenn es diskret sein soll oder in gute Hände gehen und der Preis nicht das wichtigste ist, hier hilft das gute Netzwerk enorm
- Wohnungsbauunternehmen sollen oft mehr bauen, haben aber kaum das nötige Eigenkapital. Hier entsteht ein neuer Bereich, in dem ein Teil als “Eigenkapital” über eine von Hypoport verwaltete Kapitalverwaltungsgesellschaft bereitgestellt wird, die sich vor allem über Versicherer (die Renditen von 3-4% dringend brauchen) gespeist wird. Das Immobilienunternehmen muss dann nur die Hälfte finanzieren und bekommt ein Kaufoption auf den Rest für einen späteren Zeitpunkt. Wie groß das wird, ist aber noch nicht klar.
- Auch zu Versicherungen für die Wohnwirtschaft wird vermittelt und beraten, damit alle Risiken abgedeckt sind. Somit ist man Ansprechpartner und Berater für alle Finanzierungsrelevaten Aspekte
- Geschäft wegen Großaufträgen volatil
Anschließend an die (doch gewisse Zeit in Anspruch nehmenden Vorträge) gab es die Möglichkeit Fragen zu stellen. Nachdem im letzten Jahr wohl niemand davon Gebrauch machte, gab es diesmal eine ganze Reihe. Den Anfang machte die Frage nach dem Aktienrückkauf – warum der nicht größer ausgefallen ist und zur schnellen Limit-Anhebung von 14 auf 19 Euro. (Fun-Fact: Der Fragesteller ist wenn ich mich nicht irre übrigens gerade auf Nummer 1 der Wikifolio-Rangliste). Danach stellten sich noch einige andere am Wortmeldetisch an, unter anderem traute ich mich auch. Meine Fragen bezogen sich auf den Wettbewerb mit Interhyp und deren bessere Margen, den Wettbewerb in der Leadgewinnung und das Aktivierungsergebnis. (Zu den Antworten komme ich später).
Anschließend gab es eine 20-minütige Pause, in der sich der Vorstand auf die Beantwortung der Fragen vorbereitete. Ich genoß trotz der zunehmenden Hitze derweil einen Kaffee und fand heraus, wer sich hinter Forumsnamen wie Katjuscha oder scansoft verbirgt. (Sorry übrigens, dass ich nicht nach dem Essen nochmal zu euch gekommen bin und los musste).
Nun zur Beantwortung der Fragen:
- Das Rückkaufprogramm konnte nicht stärker ausfallen weil man durch die Safe-Harbour-Regelungen eingeschränkt ist, die sicherstellen sollen dass man nicht als Firma den Kurs pusht
- Der Markt für Geldanlage (Fonds etc) wird beobachtet, aber noch kein konkreter Einstieg geplant
- In den Flagship-Stores wird wohl im Schnitt bessere Profitabilität als im Schnitt der Franchises erzielt, wichtig auch um die Technologie selbst zu probieren und Erfahrungen zu sammeln
- Interhyp dürfte im reinen B2C-Geschäft um den Faktor 2-3 größer sein als Hypoport
- Personalsituation ist vor allem im IT-Bereich von Wettbewerb geprägt, Berlin ist hier noch billiger als andere deutsche Großstädte und bisher findet man immer in vernünftiger Zeit die Leute die man benötigt
- Bei Zukäufen ist man prinzipiell nicht abgeneigt, es gibt öfters auch Verhandlungen, die scheitern aber in der Regel an unterschiedlichen Preisvorstellungen. Was den Bereich Finanzvertrieb angeht ist es außerdem wesentlich günstiger für Hypoport, die Vertriebe als Franchisepartner zu gewinnen als sie zu kaufen
- Warum die Margen der Interhyp besser sind ist von außen wegen der fehlenden genauen Berichterstattung nicht klar. Eventuell hängt das auch mit der Verflechtung mit ING zusammen, die ja auch innerhalb des Konzerns die Gewinne verschieben kann.
- Das Aktivierungsergebnis wird auf Dauer als ausgeglichen angestrebt. Im Moment wird auf 8 Jahre und bei Nachinvestition auf 5 Jahre abgeschrieben (steht glaub ich auch im GB)
- Bei den Leadkosten gab es eine Reduzierung, weil der Bereich Konten/Tagesgeld kaum noch nachgefragt wird, bisher keine Auswirkung von etwa steigendem Wettbewerb durch z.B. Check24 zu sehen
- Kapital der Kapitalverwaltungsgesellschaften im Bereich IK: Hypoport verwaltet im Prinzip nur den Fonds, hat kein Kapitalrisiko oder Kapitalbindung hier. Das Eigenkapital kommt von institutionellen Anlegern und ist Sondervermögen. Die Verwaltungsgebühr sollte zudem für einen stetigeren Einnahmenstrom in dem Sektor führen
- Die Gesellschaften Finmas/Europace sollen Ergebnisneutral arbeiten. Die eigentlichen Gewinne aus Provisionen fallen bei Europace an, da darüber auch die eigentlichen Transaktionen abgewickelt werden
- Bei Europace gab es noch keine Absprünge. Es gibt wohl aber Fälle, wo das Umsatzvolumen einschläft oder die das System zur Zeit scheinbar nicht benutzen
- Zu Ausschüttungen ist nichts konkret geplant, es soll aber auch nicht sinnlos ein Cashberg aufgebaut werden. Herr Slabke stellte die Vorteile von Aktienrückkäufen heraus (Wahlfreiheit für den Aktionär, ob er Kapitalrückfluss in Anspruch nehmen will), möglicherweise ist das daher eher ein Thema als Dividenden?
- Der vom Umsatz her größte Kunde/Produktgeber ist die Postbank/BHW, die ja auch beteiligt ist und wohl ihr ganzes Baufi-Geschäft über Europace abwickelt. Die Zusammenarbeit ist sehr gut und es wird kein Risiko für diese Geschäftsbeziehung gesehen
Zum Schluss gab es noch die Abstimmungen (die bei 75% Präsenz häufig sogar einstimmig ausfielen) und im Anschluss leckere Chili con Carne im Erdgeschoss. Hier konnte ich auch noch kurz ein wenig mit Herrn Trampe (Vorstand IK) reden, was auch im persönlichen Gespräch meinen positiven Eindruck verstärkte. Es scheint mir nun umso mehr, dass der Bereich institutionelle Kunden einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil hat (was man bei den Margen sich auch denken kann) und sich gut entwickelt, gleichzeitig dass die Stimmung im Unternehmen allgemein so wie die Beziehung zu den Kunden sehr gut ist. Wie Herr Trampe meinte war eine HV mit einer derart interessanten Fragerunde/Diskussion auch für Hypoport eine ganz neue Erfahrung und ein neues Niveau 🙂
Überarbeitung meiner Einschätzung
Nach der HV hat sich mein Eindruck wie folgt festgesetzt: Die Firma ist gut und einigermaßen konservativ geleitet, die Mannschaft versteht ihr Geschäft und wird das wohl auch in Zukunft gut fortführen. Die Geschäfte laufen gut, und die Bereiche Institutionelle Kunden und Finanzdienstleister haben klar Wettbewerbsvorteile. Im Bereich IK wäre das vor allem die gute Kundenbeziehung in einem Geschäft, wo der Preis nicht die wichtigste Rolle spielt und das damit verbundene Netzwerk. Im Bereich FD natürlich die Plattform, die sich zunehmend durchsetzt, aber noch erhebliches Auswärtspotential hat. Meine Einschätzung, dass hier mehrere Plattformen unabhängig nebeneinander stehen könnten nehme ich zurück. Zumindest innerhalb einer Bank wird das wohl eher nicht geschehen, da man da sich dort auf ein einheitliches System einigen sollte, und ein Umschalten während des Beratungsgespräches mir nicht sinnvoll erscheint. Aufbau und Etablierung einer solchen Plattform scheinen mir hinreichend schwierig zu sein, um Wettbewerber eher auf die Hypoport-Lösung zugreifen zu lassen (siehe Fondsfinanz und Check24). Netzwerkeffekte könnten hier in Zukunft die Entwicklung vielleicht noch verstärken. Bei steigenden Umsätzen steigen hier außerdem die Kosten kaum an, die Gewinne also umso stärker.
Das Privatkundengeschäft läuft gut, aber dem Wettbewerber Interhyp nach wie vor hinterher. Der Versicherungsvertrieb steckt in einer tiefen Konsolidierung, daher ist das hier zunehmend bessere Ergebnis sehr positiv zu werten. Im wichtigeren Bereich Privatkunden-Baufinanzierung bin allerdings immer noch skeptisch, wie man den Rückstand auf Interhyp verkürzen will und würde den Wert daher eher mit einem sehr geringen Wert oder 0 ansetzen. Der Vorteil ist hier wahrscheinlich eher der wachsende Markt und die Synergieeffekte mit Europace – man erreicht mit eigenem Vertrieb der die Plattform nutzen muss viel besser hohe Volumina auf der Plattform. Langfristig könnte man aber wahrscheinlich auch ein Stück weit auf diesen Bereich verzichten, mal sehen wie er sich so entwickelt.
Die anderen beiden Bereiche sollten sich aber ungebremst entwickeln können. Somit halte ich einen Gewinn von 8-9 Mio € für den Konzern in diesem und 10 Mio im nächsten Jahr für realistisch. Dann wäre die aktuelle Bewertung (ca 150 Mio) mit einem 16er KGV von 15 für die hohen Wachstumsraten als noch moderat zu bezeichnen. Vor allem die geringe Kapitalbindung des Geschäftsmodells möchte ich dabei betonen, die in diesem Fall ziemlich schnell für ausschüttbare Cashflows sorgen sollte. Zumal die Finanzverschuldung bei nur 15 Mio € Finanzschulden und 12 Mio € Cash schon heute nur noch gering ist. Im wikifolio habe ich nach meinem privaten Depot deshalb nun auch eine kleinere Position angelegt, die bei tieferer Korrektur noch ein bisschen größer werden könnte.
Sehr Interessanter Beitrag,
habe den Titel am 13.06.15 in mein Musterdepot gelegt aufgrund deines Beitrages und der Titel steht gerade mit 16% im Plus. Denke das du mit deiner Einschätzung unheimlich richtig liegst.
Gruß
Christian
Mit Mitte Juni hast wahrscheinlich einen echt guten Einstiegszeitpunkt gefunden – jetzt wo auch noch das nächste Aktienrückkaufprogramm angelaufen ist denke ich fast dass ich da hätte nachkaufen sollen… Andererseits ist ja erst vor kurzem die Meldung über das Rekordergebnis in April/Mai gekommen, und mittelfristig weiß man nie wo der Kurs hingeht.
Eigentlich bin ich bei solchen Kursraketen ja meistens skeptisch – auch wenn hier ein starkes Potential sichtbar ist wird ja erst sehr kurz Geld (also Free Cashflow) verdient. Ich hoffe also wir liegen hier tatsächlich richtig und es erweist sich nicht als Strohfeuer