Gute Laune im Kurssturz – Wie Bitte??

Verzeiht den plumpen Titel des Beitrags, aber ich bin schon etwas verwundert im Moment. Daher gibt es wieder einen Artikel, der sich mit dem aktuellen Geschehen der Börse befasst. Der heutige Börsentag hatte für mich eine dicke Überraschung parat. Nicht, dass es mich wundern würde, wenn der Dax wieder einmal mehr als 2% am Tag fällt – in meinem Artikel zu überbewerteten Aktien habe ich ja bereits behauptet, dass es problemlos auf 8000 oder noch weniger Punkte gehen kann. Was mich indes überrascht hat, war der Stimmungsindex der Frankfurter Börse. Ich halte ja wenig von kurzfristigem Spekulieren, Charttechnik und verwandten Methoden. Trotzdem glaube ich, dass gerade Stimmungsindikatoren in einer turbulenten Marktphase (wie aktuell) durchaus aussagekräftig sind.

Die Stimmung

Warum ist die Stimmung so wichtig? Wenn die Stimmung positiv ist, gibt es viel Raum für negative Überraschungen, wenn die Stimmung hingegen negativ ist, gibt es viel Raum für positive Überraschungen, Wirkung zu entfalten. Außerdem ist zumindest das längere Anhalten von positiver Stimmung ein Zeichen, dass alles Geld schon investiert ist – negative Stimmung dagegen ein Zeichen, dass das meiste Geld dem Aktienmarkt bereits entzogen wurde. Stimmung ist daher ein Kontra-Indikator, oder zumindest kann er in bestimmten Situationen zu einem werden.

Die Dax-Stimmung ist nun erstaunlicherweise überhaupt nicht im Einklang mit den Aktienkursen gefallen, sondern erstaunlich stabil im optimistischen Bereich geblieben. Bei mir persönlich ist es ja eher so, dass ein Rückgang der Aktienkurse mir die Risiken hoher Bewertungen stärker vor Augen führt – und ich in der Folge negativer auf die Aktien blicke. Ich versuche ja, durch diesen Blog eine neutralere Sicht auf die Dinge zu gewinnen, aber ich kann diesen Effekt dadurch nur abmildern. Andererseits sollte man erwarten, dass die fallenden Kurse davon ausgelöst werden, dass viele Anleger eine negative Meinung zur Entwicklung der Aktienmärkte haben und verkaufen. Auch das ist allerdings nicht zu beobachten. Eine Erklärung, die ich durchaus plausibel fand, war dass gerade die amerikanischen Anleger ihr Geld zurückholen, da der Dollar stärker wird. Es würde zumindest manches erklären.

Wenn die heimischen Anleger aber ungebrochenen Optimismus zeigen, kann es eigentlich nur bedeuten, dass sie auch genauso noch in ihren Aktien investiert sind. Die negativen Konjunkturmeldungen kamen ja erst in den letzten Tagen, und einige Unternehmen haben recht gute Zahlen vorgelegt, aber bei weiteren schlechten Nachrichten sind genug zittrige Hände für eine Verstärkung der Korrektur im Markt.

Andere Indikatoren

Andere Indikatoren, auf die ich einen Blick geworfen habe, sind nicht ganz so bullisch – aber auch immer noch nicht in Erwartung fallender Kurse! Ein Beispiel: Bei der Comdirect kann man schön das Verhältnis von Put- und Call-Optionen nachschauen. Vor 4 Wochen lag das im Dax noch bei 0,82 bzw im TecDax bei 0,77 – d.h. die Spekulation auf fallende Kurse hatte nur etwa 4/5 des Umfangs der Spekulation auf steigende Kurse. Dieses Verhältnis ist seitdem deutlich angestiegen – wie zu erwarten sein sollte – und nun im Dax 1,06 und im TecDax 0,95. Es ist also allenfalls in den leicht pessimistischen Bereich gegangen. Auf der Seite der Eurex kann man ebenfalls ähnliche Daten sehen – der Handel mit Puts nimmt zu, allerdings hat sich das Verhältnis an offenen Positionen nur unwesentlich geändert.

Die Börsenumsätze sind auch ein Indikator für die Stimmung: Man sagt ja, dass bei einer Bodenbildung die Umsätze in der Regel sehr niedrig sind, während sie nahe des Höhepunktes hoch sind. Diese Umsätze sind momentan gerade in den Tagen mit stark fallenden Kursen auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt an, dass zumindest noch keine Bodenbildung in Sicht ist, denn dann sollten die Umsätze eher niedrig ausfallen.

Einschätzung

Mein Eindruck ist folgender: Wer kurzfristig denkt, und gerade auf Aktien sitzt, sollte allmählich nervös werden (oder geworden sein). Was macht man in dieser Situation nun? Da die Daten zwar schlecht, aber auch nicht katastrophal sind, kann man sich die Lage schönreden. “Vielleicht ist es ja nur ein kurzfristiger Einbruch, und dann geht es schnell wieder aufwärts.” Wenn allerdings nach und nach die Prognosen gesenkt werden, dann werden diese Anleger nervös. Schließlich versuchen sie abzuwarten, bis die Kurse ein kleines bisschen steigen um verkaufen zu können – bei jeder kleinen Erholung komm es also zu Verkäufen, die den Abwärtstrend verstärken. Dazu greifen bei einigen Anlegern Risikobegrenzungsmaßnahmen wie Stop-Loss-Klauseln, die zu weiteren automatischen Verkäufen führen, wenn neue Tiefststände erreicht werden. Und fundamental orientierte Anleger halten sich vornehm zurück, weil sie wissen dass die Kurse gerne auch noch weiter zurückkommen können.

Insofern wäre meine Einschätzung, dass angesichts der erstaunlich positiven Stimmungsindikatoren der Sinkflug noch lange nicht am Ende ist. Und wenn ich auch nicht denke, dass man perfektes Markttiming erreichen kann – jetzt in das fallende Messer zu greifen wäre dumm. Ich werde sicherlich genauso wenig meine Aktien in einem Panikanfall verkaufen – schließlich kann es schnell wieder hochgehen. Aber ich habe zum Beispiel geplant, ein Musterdepot auf Wikifolio für die hier besprochenen Aktien einzurichten. Dieses Vorhaben verschiebe ich nun, genau wie die Investition meines restlichen Geldes, solange bis sich eine Bodenbildung abzeichnet und die Kursen bei geringeren Umsätzen wieder steigen. Wenn ich Glück habe, erwische ich dann ja vielleicht mal ein Qualitätsunternehmen zum Schnäppchenpreis 🙂

4 Gedanken zu „Gute Laune im Kurssturz – Wie Bitte??

  1. Also ich bin mir noch nicht so sicher, ob wir schon das Ende der Hausse sehen. Meine Erwartung ist noch ein weiterer Anstieg der Kurse für 1-2 Jahre, dann mal wieder gucken.

    Aktuell würde ich aber kein Geld darauf wetten, dass wir nicht doch bald wieder fallende Kurse sehen.

  2. Eine generelle Frage: Da man nie weiß, wie sich die Kurse entwickeln, ist es überhaupt lohnenswert sich mit dem Thema auseinander zu setzen? Wieso sollte ich soviel Aufwand für sowas betreiben, wenn ich nicht weiß wie sich die Dinge entwickeln werden.
    Liefern Prognosen adäquate Ergebnisse, dass man davon profitiert?
    Ich danke Ihnen.

    1. @A. Neubaur

      Die Frage stellen heißt sie beantworten.
      Andererseits ist das Prognosegeschäft finanziell lukrativ. Nicht nur das. Die Zunft der Wahrsager hat politischen Einfluß und wird auch bewußt instrumentalisiert: Einst Pythia oder Augur, heute Wirtschaftsweiser.

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