Zalando Börsengang – Warum die Aktien zu teuer sind

Seit dem 18.09. ist klar, wie viel der Online-Händler für Schuhe und Mode Zalando für seine Aktien beim Börsengang haben will: Die Preisspanne liegt bei 18,00 bis 22,50 € je Aktie, insgesamt könnte eine Bewertung von etwas über 5 Milliarden Euro dabei herauskommen. Nun ist ja bekannt, dass mindestens 80% der Börsengänge zu überhöhten Preisen erfolgen – warum sonst sollte schließlich der besser informierte Alteigentümer seine Anteile aufgeben/verwässern, wenn nicht weil der Preis gerade hoch ist?

Bei Zalando ist der Börsengang natürlich auch eine Kapitalerhöhung, die dringend nötig für die weitere Expansion ist – denn bisher hat Zalando überhaupt kein Geld verdient! Stattdessen versucht Zalando, über möglichst schnelle Expansion den Markt als erstes zu besetzen, um schließlich die Größenvorteile und Bekanntheit zum eigentlichen Geldverdienen zu nutzen. Das ist so weit auch OK – ich will in diesem Beitrag aber einmal folgenden Frage nachgehen:

  • Wie weit muss Zalando wachsen, um eine Bewertung von 5 Milliarden zu rechtfertigen?
  • Welche Gewinnmargen müssten und welche können erzielt werden?
  • Wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario?
  • Wie sicher ist die Marktstellung? (Für Value-Investoren: Gibt es einen “Burggraben” gegen die Konkurrenz?)

Bisherige Lage

Zalando wurde 2008 als reiner Online-Schuhhändler gegründet, bietet inzwischen auch sonstige Mode an und ist in den letzten Jahren auf einem starken Expansionskurs in Deutschland und Europa, der unter anderem durch die Schrei vor Glück -Werbung und aggressive Preispolitik vorangetrieben wurde. Inzwischen hat Zalando es geschafft, im ersten Halbjahr 2014 mehr als eine Milliarde € umzusetzen und dabei zum ersten Mal ein ausgeglichenes Betriebsergebnis zu erwirtschaften. Die Wachstumskurve flacht dabei ein wenig ab, ist aber immer noch beachtlich hoch. Für den Börsengang hat Zalando auch die Finanzkennzahlen veröffentlicht, die man hier finden kann.

Inzwischen lassen sich erste Skaleneffekte erkennen – der Anteil der Werbekosten am Umsatz sinkt deutlich (von 26,7% in 2011 auf 17,6% in 2013), der Logistikanteil der Kosten sinkt moderat (von 26,5% auf 23,9%) und vor allem in der Kernregion DACH, in der die Marktstellung natürlich am besten ausgebaut ist, lassen sich bereits kleine Gewinne erzielen. Ob diese nachhaltig sind, oder auf kurzfristige Maßnahmen im Vorfeld des Börsengangs zurückzuführen bleibt dabei natürlich noch abzuwarten.

Die Umsatzentwicklung sieht wie folgt aus:

Jahr 2010 2011 2012 2013 1.HJ 2014
Umsatz  154 510 1159 1762 1047
EBIT  -23 -59 -84 -114 3,6

Es ist also zu beobachten, wie sich allmählich die Wachstumskurve abflacht, während versucht wird die Profitabilität zu steigern. Zu beachten ist auch, dass das Wachstum im deutschsprachigen Bereich nur noch bei 20% auf Jahressicht liegt, das Gesamtwachstum also zunehmend auf die Auslandsexpansion zurückzuführen ist. Auch die Expansion in den Modebereich bringt natürlich Umsatz, ich nehme aber an dass dort das Wettbewerbsumfeld noch härter als bei den Schuhen ist.

Vergleich aktueller Kennzahlen

Zalando sieht sich zwar als Marktführer in seinem Bereich, und zumindest in Deutschland dürfte das auch stimmen – aber es ist natürlich nicht allein auf dem Markt. Die Grundidee ist auch nicht besonders originell, schon vor dem Internetzeitalter gab es große Versandhäuser (Quelle ist zwar Pleite, aber Otto scheint sogar die Transformation ins Internet zu schaffen) – deshalb ist es nicht verwunderlich in anderen Ländern ähnliche Unternehmen anzutreffen, die zum Teil sogar schon Börsennotiert sind und deshalb detaillierte Zahlen veröffentlichen. Ich habe zum Vergleich Yoox und Asos ausgewählt, um zu schauen ob die Profitabilität vergleichbar ist. Zumindest Asos kann in dem Zusammenhang als eindeutig abschreckendes Beispiel angesehen werden, denn zuletzt musste die Ergebnisprognose trotz Umsatzwachstums heftig zusammengestrichen werden, die Aktie rauschte steil von über 85 auf jetzt 27 € nach unten. Vergleichen wir also die jüngsten Werte (gerundet) der Halbjahresberichte (wobei zu beachten ist, dass das Halbjahr bei Asos bereits am 28. Februar endet, insbesondere also das Weihnachtsgeschäft enthält):

Amazon [Mio $] Zalando [Mio €] Asos [Mio £] Yoox [Mio €]
Umsatzerlöse 39081 1047 482 238
Umsatzwachstum 23% 29,5% 33,9% 14,7%
Umsatzkosten 31670 605 239 152
Bruttoergebnis (Marge in %) 8131 (20,8%) 442 (42,2%) 243 (50,4%) 86 (36,2%)
Vertriebskosten (Anteil) 4699 (12%) 391 (37,3%) 73 (15,1%)  48 (20,2%)
Verwaltungskosten (Anteil)  2517 (6,4%) 53 (5,1%) 150 (31,2%)  19 (8%)
sonstige 63 6 1  -1,5
EBIT 132 3,6 20 6,2
KUV (Hochrechnung) 2  ~2,4 1,8 2,1
Marktkapitalisierung 158000  ~5000 ? 1700 1000

Man erkennt im Vergleich (wobei man teilweise vorsichtig sein muss, ich bin nicht sicher ob ich die Marketingkosten jeweils zum richtigen Posten dazugetan habe), dass bei Zalando insbesondere die Vertriebskosten sehr hoch sind – was klar an den Rücksendungen bei Kleidung liegen dürfte. Zwar haben auch die Modewettbewerber hier gegenüber Amazon deutlich das Nachsehen, was auch klar ist, Zalando setzt sich aber klar ab. Für den Kunden ist es natürlich erfreulich und sehr bequem 5 Hosen zu bestellen und 3 wieder zurückzusenden, für Zalando bedeutet dass aber Umsatz ohne Gewinn, weil die Versand- und Logistikausgaben steigen. Zudem sieht man, dass alle Wettbewerber mit extrem dünnen Gewinnmargen operieren, der Wettbewerb also hart ist und über den Preis geführt wird. Gleichzeitig hat Zalando das wohl größte Kurs-Umsatz-Verhältnis, obwohl sich erst noch zeigen muss, ob man nachhaltig auch Gewinne erzielen kann.

Aussichten für Zalando

Zalando hat es geschafft, sich in Deutschland und weiteren Ländern einen Markennamen aufzubauen, und dadurch hohe Umsätze erzielen zu können. Ein Problem ist aber, dass gerade beim Online-Shopping der Preisvergleich besonders einfach ist, und die Kunden wenig Probleme haben zu einem unbekannten günstigeren Anbieter zu wechseln. Die einzige Möglichkeit zur Erzielung nachhaltiger Gewinne kann daher nur über die Kosten führen, also durch Nutzung von Größenvorteilen bei gleichem Preis mehr Gewinn als Konkurrenten zu machen. Durch die hohen Kosten der Rücksendungen halte ich das im Moment für schwierig. Andererseits kann gerade dieser Extra-Service ein entscheidendes Argument sein, um eventuell doch höhere Preise durchzusetzen und bessere Kundenbindung zu erreichen.

Zudem machen mobile Endgeräte inzwischen einen wesentlichen Anteil des Traffics aus – auf Deutsch gesagt nutzen immer mehr Kunden die App von Zalando zum shoppen. Eine solche App hat den großen Vorteil, dass die Kunden hier exklusiv auf die Zalando-Seite gehen, und vermutlich seltener abspringen um woanders 50 cent zu sparen. Zumindest sollte das in der Theorie so sein, ob es sich so umsetzen lässt ist noch nicht klar. Aber ein “Burggraben” gegen Konkurrenz, die man als Value-Investor so gerne weit ausgesperrt sehen will, bekommt man im Internethandel auch damit nicht. Die Ausnahme sind Netzwerkeffekte wie bei Ebay oder einigermaßen exklusiv vertriebene Produkte.

Was kann man im E-Commerce realistischerweise erwarten?

Ich halte daher auf mittlere Sicht die erzielbaren Gewinnmargen selbst der stärksten Händler und Marken für sehr begrenzt. Vermutlich können die starken Unternehmen auch nur 2% vom Umsatz als Gewinn behalten, und etliche andere werden immer wieder Verluste schreiben. Gehen wir also von einer Umsatzrendite von Netto 2% aus (was schon sehr positiv gedacht ist), dann müsste Zalando auf einen Umsatz von 10 Milliarden € wachsen (Verfünffachung!), damit man wenigstens ein KGV von 25 erreichen würde. Langfristig lässt sich aber auch das nicht halten, man benötigte also eigentlich eine Verzehnfachung des Umsatzes!  😯

Wie lange dauert es bei Wachstumsraten von ca 20 % im Jahr, bis ein solches Niveau erreicht ist? Die Verfünffachung dauert ganze 9 Jahre – unter der günstigen Annahme 9 Jahre im gleichen Tempo weiter zu wachsen. Falls in der Zeit nicht genug Gewinne erzielt werden, ist eine Kapitalerhöhung in der Zwischenzeit nicht unwahrscheinlich, was direkt zu einer Verwässerung führen würde. Die Aktie wäre noch weniger wert, man müsste noch länger warten, um überhaupt das investierte Geld wiederzubekommen. Allgemein halte ich aber die Wahrscheinlichkeit für ziemlich hoch, dass die Aktie bald wesentlich weniger kosten könnte als im Moment, spätestens wenn wie bei Asos eine Gewinnwarnung ausgesprochen werden muss…

Fazit

Wer langen Atem hat, sich noch positivere Szenarien als ich ausmalen kann und aus dem Börsengang der deutschen Telekom nichts gelernt hat, der kann ja gerne auch Zalando kaufen. Wer sich dagegen als Value-Investor versteht, der weiß ohnehin dass sämtliche obige Unternehmen ein zu hohes Risiko bei nur verschwindend kleinen Profiten ausweisen, und gerade ein Kauf beim Börsengang nur schief gehen kann!

Zalando ist zwar nicht weit weg von den Börsenbewertungen vergleichbarer Unternehmen, allerdings sind diese allesamt nicht gerade günstig. Der kluge Investor, der unbedingt Internetaktien will, könnte sich dagegen mit Google beschäftigen (im Suchmaschinenmarkt fast unangreifbar und eine reine Geldmaschine mit intelligenten Expansionsplänen) oder E-Bay (insbesondere mit der Geldmaschine PayPal – wozu gerade auch auf TomB´s Blog ein lesenswerter Artikel steht) – diese Unternehmen verdienen nämlich tatsächlich Geld im Internet, statt es für schnellere Expansion im harten Wettbewerb zu verbrennen  😎

Update: Ich sehe gerade, dass sich der Financeblog mit dem gleichen Thema beschäftigt, wenn auch dort der Vergleich zu H&M und Inditex gezogen wird, was eher erweiterte Konkurrenz ist – schaut hier, und auch egghat bloggt seine Gedanken zur hohe Bewertung.

10 Gedanken zu „Zalando Börsengang – Warum die Aktien zu teuer sind

  1. Einmal mehr ein guter Beitrag! Ich investiere seit knapp 5 Jahren und interessiere mich vor allem für Tech Aktien. Du hast völlig Recht: Unternehmen wie Zalando dürften völlig überbewertet sein. Das gleiche würde ich über Facebook, Twitter und wie sie alle heissen sagen. Wer sich für Internetaktien interessiert sollte aus meiner Sicht zur Zeit ein Auge auf “Yandex” werfen 😉

    1. Naja, eine Aktie ist nicht deshalb teuer, weil sie von einem Internetunternehmen stammt. Man sollte hier die gleichen Bewertungsansätze zugrundelege, wie bei klassischen Unternehmen – allenfalls die hohen Wachstumsaussichten mit einpreisen und gleichzeitig die geringe Hürde für die Konkurrenz, in das Webbusiness einzudringen. Insofern liegt ein himmelweiter Unterschied zwischen Groupon und Twitter auf der einen Seite und Facebook oder Google auf der anderen. Denn die letzteren verdienen richtig Geld, also kann man dort ggf. auch investieren und muss nicht nur auf das Prinzip Hoffnung setzen. Mein Focus sind reine Internetwerte und/oder Biotechs jedoch nicht, die sind viel zu volatil und haben zu hohe BETAs. Ich investiere lieber (langfristig), anstatt zu zocken.

  2. Hi Tobi,
    netter Artikel.

    Bei Online-Händlern muss man extrem vorsichtig sein. Bestes Beispiel ist Delticom, die vor zwei Jahren noch fantastische Margen ausweisen konnten. Und jetzt werden auch sie von den Gesetzmäßigkeiten des Online-Handels auf Normalmaß gestuzt.

    Online-Handel von Kleidung finde ich noch einmal extra problematisch. Kleidung muss man einfach anprobieren. Das gilt besonders für Schuhe. Die Retournierquote wird entsprechend groß sein, wie du ja auch schreibst.

  3. Hallo Tobi,

    erstmal Gratulation und Danke für Deinen tollen Artikel. Liest sich prima.
    Bin rein von den Fakten absolut bei Dir und eigentlich muss die Aktie ein paar Wochen nachdem IPO ein klarer Short sein, aber die aktuelle Entwicklung bei Tech-Startups z.B. bei GoPro lässt mich hier doch sehr zurückhaltend agieren.

    Grüße,
    Patrick

    1. Danke auch fürs Kompliment 😉
      Beim shorten wäre mir da wahrscheinlich ähnlich unwohl wie bei investieren – ich denk auch bei einigen anderen dass man die verkaufen sollte, und sie fallen trotzdem nicht richtig. Lieber such ich mir unterbewertete Unternehmen, bei denen es irgendwann aufwärs geht, oder zumindest Dividenden gibt falls nicht…

  4. Hach, mir kommt das alles so bekannt vor. Ich erlaube mir mal, mich selbst zu zitieren – mit einer Passage aus einem Text, den ich vor bald 15 Jahren für die brandeins geschrieben habe (Volltext auf meiner Website).

    “Was ist der größte Erfolg der Internet-Branche ?

    Die grotesk hohe Bewertung ihrer Aktien. Eine an sich banale Tatsache gilt nach wie vor: Die Substanz eines Unternehmens ergibt sich aus seinem Anlagevermögen zuzüglich seiner Fähigkeit, dieses zur Wertschöpfung zu nutzen, also Gewinne zu erzielen. Der Gewinn, auch dies klingt banal, ist stets ein Bruchteil des Umsatzes, der wiederum ein Bruchteil des Gesamtumsatzes der jeweiligen Branche ist. Die Gewinne sind nichts anderes als eine Verzinsung des angelegten Kapitals. Einen Teil davon erhalten die Aktionäre gewöhnlich als Dividende.

    Dieses kleine Einmaleins gilt nicht mehr, sobald eine Firma im weitesten Sinne mit dem Internet in Verbindung gebracht werden kann. Da ist Dividende ein Fremdwort, es wird nur noch gezockt. Der Musterbetrieb der globalen Netzwirtschaft, Cisco Systems, wird sogar mit dem Vielfachen der zukünftigen Größe des Weltmarktes bewertet. Gewiss, der Laden wächst prächtig – der Umsatz stieg 1999 um die Hälfte auf zwölf Milliarden Dollar – und ist marktbeherrschend. In ein paar Jahren mag der Absatz an Produkten, wie sie Cisco herstellt, sogar auf 50 Milliarden Dollar wachsen. Doch der Börsenwert aller Aktien der Firma lag Anfang März bei 470 Milliarden Dollar, dem 224-fachen des Jahresgewinns. Nur Microsoft war noch etwas teurer und übertraf knapp die Marke von einer halben Billion Dollar. Der ” Wert” von Cisco liegt in der Größenordnung der Summe der Jahresumsätze von General Motors, Ford und Toyota. Oder der Börsenbewertung von General Motors, Ford, IBM, Disney und Coca-Cola zusammen genommen.”

    So viel von Anfang 2000. CIsco ist heute übrigens noch 100 Mrd. $ wert – bei immer noch weniger als 50 Mrd. $ Umsatz, aber stolzen 20 % Netto-Umsatzrendite. Bei einem KGV von 224 wie damals wäre der Laden heute 2,2 Billionen (2200 Milliarden) Dollar wert. 😉

    Man sollte bei den Samwers halt immer bedenken, dass die Brüder – wie Don Alphonso und Lanu derlei einst so schön titulierten – Spezialisten für “exit-orientierte Firmengründungen” sind. Von alando bis zalando: Take the money and run, nach uns die Sintflut.

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