Update und Rückblick zum Jahreswechsel 2020

Das Jahr 2020 ist vorbei, und wieder einmal zeigt sich wie wenig man die Börse vorhersehen kann. Das Jahr startete am Tiefpunkt einer starken Korrekturbewegung seit dem Herbst 2018, und viele (ich auch) erwarteten zumindest eine milde Rezession und siechende Aktienmärkte. Darüber hinaus war ich extrem skeptisch bezüglich der Wirtschaft in den USA. Der einzige Grund, dass ich zu Beginn des Jahres investiert blieb war ein alter Vorsatz: KEIN MARKT-TIMING! Ich habe schon oft genug erlebt, dass meine Einschätzungen nicht zum Timing und der kurzfristigen Vorhersage des Gesamtmarktes taugen. dennoch habe ich darauf geachtet zunehmend konjunkturunabhängige Unternehmen für Investments auszuwählen.

Im Rückblick bin ich immer noch erstaunt über die robuste Konjunktur. Sicher, die Industrie ist in einer Rezession. Diese führt allerdings nicht wie ich erwartet hätte zu einer gesamtwirtschaftlichen Abwärtsspirale mit höheren Arbeitslosenzahlen und allgemeiner Wirtschaftsflaute. Im Gegenteil bauen Dienstleister und Bau weiterhin Stellen auf, während die Industrie welche abbaut – beschleunigter Strukturwandel statt allgemeiner Krise. Entsprechend hat die Börse wieder an ihre Höchststände aus 2018 angeschlossen und der DAX 25% zugelegt – mein Leitwikifolio (Preis und Wert Valuedepot) sogar 38%. Privat lief es auch positiv, aber klar schlechter – durch den eher schlechten Kursverlauf meiner hoch gewichteten Jahresfavoriten Protector und Ateam, die als ausländische Nebenwerte im Wikifolio nicht enthalten sind, habe ich hier keine 20% erreicht.

Entwicklung des Preis-und-Wert Wikifolios seit Beginn 2019 gegen S&P500, DAX und MSCI World

Fundamentale Entwicklungen

Ateam

Die größte Enttäuschung des Jahres. War ich Ende 2018 noch davon ausgegangen dass der Rückgang im Spielegeschäft sich durch den neuesten Titel aufhalten lässt, wurde klar dass das Management mit Zweckoptimismus zu hohe Umsätze prognostiziert hat. Die Konkurrenz ist aber gerade im Mobile-Game-Bereich immer stärker geworden, durch höhere Anforderungen an die Grafik sind dazu die Entwicklungskosten massiv gestiegen. Die neue Strategie sieht daher vor, nur noch Spiele für verschiedene Geräte gleichzeitig zu entwickeln um mehr Potential zur Monetarisierung zu haben – aber erst im nächsten Jahr ist der erste Titel zu erwarten. Die Prognose von einem ausgeglichenen Ergebnis im Gema-Bereich halte ich daher für deutlich zu optimistisch. Darüber hinaus sind im Plattformgeschäft die neuen Plattformen in der Investitionsphase – verlieren also noch Geld. Ateam will hier vermehrt auf den Aufbau von organischem Traffic setzen, so dass auch das Wachstum zumindest kurzfristig niedriger ist als ich angenommen hatte. Weiterhin halte ich das Plattformgeschäft für hoch attraktiv und die Aktie (nach hohen Verlusten) für unterbewertet. Allerdings ist auch das Risiko hoch, mit den nächsten Spielen keinen Hit zu landen. Da in der japanischen Kultur kündigen der Mitarbeiter nicht gern gesehen ist könnte der Bereich also zu einer längerfristigen Belastung der Ergebnisse führen und im negativen Szenario nicht einen fairen Wert von 0, sondern sogar deutlich negativ aufweisen. Ich habe daher nach den letzten Ergebniszahlen die Positionsgröße deutlich reduziert und warte erst einmal ab.

Lerneffekt: Ich habe die Position und Stärke des Wettbewerbs bei japanischen Handyspielen nicht ausreichend untersucht, obwohl ich die Wettbewerbsposition als einen der wichtigsten Faktoren sehe. Dazu beigetragen haben dürfte auch die Distanz zum japanischen Markt. Daher hätte ich die Aktie zumindest bei einer kleinen Position belassen sollen.

Protector

Meine am höchsten gewichtete Position, deren Aktienkurs nicht wirklich vorangekommen ist. Protector würde ich dennoch nicht als Enttäuschung bezeichnen, denn hier hat sich meine Einschätzung nicht geändert und ich sehe weiter erhebliches Potential.

Besondere Bedeutung hat dabei, dass nach Aussage der Firma Preiserhöhungen endlich Fahrt aufnehmen, und insbesondere auch vom Markt angenommen werden (sprich: die Konkurrenz erhöht gleichzeitig auch die Preise). Die Umsätze steigen nun in Norwegen und Schweden nicht mehr vorrangig wegen Neukundengewinnung, sondern durch mehr Geld von bestehenden Kunden. Dies dürfte der Profitabilität einen starken Antrieb geben, wobei die meisten Preiserhöhungen gerade zum Jahreswechsel in Kraft treten. Ich rechne damit, dass die Aktie abheben wird sobald diese Effekte in der Bilanz sichtbar werden. Hinzu kommt starkes Wachstum in Großbritannien. Wenn noch das volatile Kapitalanlageergebnis stimmt kann 2020 hier nur besser werden.

Tick TS

Die winzige Softwarefirma Tick TS hat sich im abgelaufenen Jahr aller Insiderverkäufe zum Trotz sehr gut entwickelt. Die Dividendenrendite ist extrem hoch und die Aussichten nicht schlecht, falls nicht irgendein Großkunde verloren geht. Sorgen mache ich mir hier teilweise um Sino, die inzwischen weitere Aktien verkauft haben (12,5% des Gesamtkapitals) und deren Kerngeschäft (Broker für aktive Trader) sich tendenziell verschlechtert. Die Dividendenrendite beträgt aktuell um die 8% – abgesehen von Mutares fällt mir nichts vergleichbares ein im Moment.

Abgesehen von der geringen Marktkapitalisierung / Liquidität und der Abhängigkeit von Großkunden spricht nichts gegen die Aktie, die normalerweise doppelt bis drei mal so hoch bewertet werden sollte. Die Aktie ist daher einer meiner Favoriten für dieses Jahr.

Flatex

Flatex ist für mich im vergangenen Jahr eine sehr interessante Erfahrung gewesen. Zum einen: Man kann Timing sehr gut hinbekommen, wenn man eine gute Vorstellung vom Wert einer Aktie hat. Zweitens: Wenn ich mich mit dem Management nicht wohl fühle dann kann ich die Aktie auch nicht langfristig halten.

Was ist passiert? Anfang des Jahres war Fintech Group/Flatex trotz der sehr positiven wirtschaftlichen Daten auf einen Kurs von unter 20€ gefallen. Dies kam mir angesichts des starken Wachstums doch sehr niedrig vor, so dass ich kaufte. Die im Sommer gemeldeten Zahlen fand ich relativ schwach (insbesondere durch Aktivierungen nach oben verzerrt), doch interessanterweise verkündete das Unternehmen “strategische Optionen” zu prüfen. Gerüchte von einem Verkauf des Brokers zu 30€ je Aktie machten die Runde. In der Folge stieg der Kurs auf knapp unter 30 €, was ich angesichts der eher schwachen Zahlen wieder recht hoch bewertet fand. Daher verkaufte ich bei knapp 28€ bevor der Kurs wieder absackte. Inzwischen ist klar: statt einem Verkauf von Flatex wird der Holländische Discountbroker Degiro übernommen. Dies ist strategisch ein sehr guter Schritt. Dennoch bin ich froh meine Aktien verkauft zu haben – denn an anderer Stelle zeigte das Management wieder seine Orientierung auf rein kurzfristige Gewinne. Im Dezember bekamen Flatex-Kunden die Ankündigung dass eine neue Depotgebühr eingeführt wird – 0.1% des Depotvolumens. Zusätzlich zu den unbeliebten negativen Zinsen auf Einlagen, in einer Zeit wo mit TradeRepublic, JustTrade oder Revolut neue Broker mit einem Geschäftsmodell ohne Ordergebühren auf den Markt drängen. Mit seinen Skalenvorteilen könnte Flatex diese wirkungsvoll bekämpfen indem man Konditionen verbessert und den Aufbau der kritischen Masse bei Wettbewerbern verhindert. Was passiert ist das Gegenteil – durch Preiserhöhungen aufgeschreckte Kunden werden bevorzugt die neuen Konkurrenten ausprobieren. Dieses kurzfristige Handeln schreckt mich als eher langfristig orientierten Anleger ab, so dass ich auch im Wikifolio die verbliebenen Anteile abgestoßen habe. Leider bevor die Aktie zu Jahresbeginn wieder stark anzog…

Admiral

Die britische Auto-Direktversicherung ist ebenfalls einer meiner aktuellen Favoriten. 2019 war der entscheidende Meilenstein der Break-Even der europäischen Töchter in Spanien, Italien und Frankreich. Hier dürften nun angesichts des Wachstums immer mehr Gewinne erzielt werden, während der Heimatmarkt immer reifer wird. Angesichts einer immer noch über 5% liegenden Dividendenrendite und sehr geringem Kursrisiko auch nach einem zufriedenstellenden Kursanstieg ein klarer Kauf.

Mix Telematics und Cartrack

Die beiden südafrikanischen Telematikanbieter habe ich bereits seit seit 2018 im Depot und bin mit der Entwicklung durchaus zufrieden. Gewinne und Umsätze steigen, gerade bei Mix Telematics zeigt sich auch der erwartete überproportionale Anstieg der Gewinne. Bei einem KGV von 16 halte ich Mix Telematics daher selbst bei den momentan geringer erwarteten Umsatzwachstumsraten (hoher einstelliger Bereich) für deutlich unterbewertet. Die Aktie stand in letzter Zeit unter Druck, was ich zum Aufstocken genutzt habe.

Cartrack hatte ich hier nach wie vor nicht direkt vorgestellt, aber das Geschäftsmodell ist sehr ähnlich, nur vorwiegend auf Privatanwender und Diebstahlschutz konzentriert. Hier gab es eine schöne Erholung der Aktie, aber das Potential ist angesichts des enormen Wachstums nach wie vor gewaltig.

Sawai

Sawai hat insgesamt meine Erwartungen seit dem Kauf nicht ganz erfüllt, dieses Jahr aber zumindest auf Kursseite aufgeholt und ist nun deutlich im Plus. Das Geschäft zeigt sich schwieriger als erwartet wie auch die Kurse großer Konkurrenten wie Teva und Mylan zeigen. Dennoch konnte Sawai mit guten Zahlen und der sehr geringen Bewertung die Börse überzeugen und . Ich bin definitiv kein Charttechniker, aber bei positivem Momentum und moderater Bewertung aus einer Aktie aussteigen weil die Branche gerade mit Schwierigkeiten kämpft kommt nicht in Frage. Allerdings habe ich hier gelernt: der Druck auf die Margen war höher als ich vermutet hatte, und ich bin inzwischen nicht mehr sicher ob die alten sehr hohen Margenniveaus wieder zurückkommen. Es könnte durchaus sein dass aus strukturellen Gründen die Renditen dauerhaft fallen (staatliche Stellen drück Preise mehr und mehr) oder die starken indischen Wettbewerber ihre Preismacht nutzen um andere Hersteller mehr und mehr zu verdrängen. Ich werde die Situation in den nächsten Quartalen genau beobachten und sehen ob ich hier eine langfristige Überrendite weiter wahrscheinlich halte.

Funkwerk

Ein neuer Kauf von mir war Funkwerk. Die Nachrichtenlage war hier allerdings sehr schlecht, denn bei dem versuchten Einstieg bei Euromicron ist Funkwerk auf die Nase gefallen. Euromicron ist inzwischen insolvent und das gesamte Geschäft an die Zech-Gruppe veräußert. Die ist stark im Baubereich tätig und hat schon öfter Unternehmen aus der Insolvenz erworben, das ganze Prozedere mit einem Verkaufsprozess zwischen Weihnachten und Silvester sieht mir allerdings sehr unsauber aus. Da  Zech scheinbar bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zugang zu den Akten hatte wurde offenbar Funkwerk/Hörmann im Aufsichtsrat hintergangen oder haben nicht gründlich geprüft…

Wie dem auch sei, operativ sollte es für Funkwerk weiter gut laufen und der einmalige Verlust führt hoffentlich zu einem gewissen Lerneffekt. Ich gehe mittelfristig jedenfalls von weiterhin sehr guten Ergebnissen bei Funkwerk aus.

kleine Positionen

Ich habe noch einige weitere Positionen, aber möchte euch ersparen viele Worte zu machen, wenn sich meine Einschätzung nicht sehr gewandelt hat.

Ich muss zugeben dass ich aus zeitlichen Gründen in letzter Zeit teils keine ausführlichen Analysen mehr geschrieben habe und zum Teil trotzdem zumindest kleinere Positionen eingegangen bin, etwa bei Abo Wind, oder (neu) Hornbach, Mutares und Adesso. Ich habe mir fest vorgenommen hier besser zu werden und genauer zu recherchieren, um diese Positionen eventuell auch deutlich wachsen zu lassen. Bisher habe ich die Größe auf maximal eine monatliche Sparrate beschränkt.

Sind diese kleineren Positionen mit weniger tiefer Recherche sinnvoll? Zum einen habe ich des öfteren erlebt, dass meine Beobachtungspositionen auf der Watchlist sich im Schnitt gut entwickeln und ich mir viele dann schon wegen des gestiegenen Kurses nicht mehr so genau anschaue. Oder wenn ich investiere, dass es oft schöne Gewinne gibt. Idealerweise sollte man natürlich in jedes Investment viel Recherche und Zeit stecken, aber in der Realität bin ich eben nach wie vor Hobbyinvestor – ich verdiene das Geld zum Anlegen klassisch im Bürojob und muss mir dann für jede Analyse mit Blogartikel ein Wochenende Zeit nehmen. Was mit Familie ungleich schwerer fällt als ohne… 
Insofern gibt es zwei Möglichkeiten: Sehr sehr wenige Investments, die sehr gut recherchiert sind und in die ich immer mehr Geld investiere oder eben mehr Diversifizierung, dafür Abstriche bei der Recherche (um auf passives Investment oder Fondsmanager zu setzen macht mir ein Einzelinvestment viel zu viel Spaß!). Ich halte Diversifizierung dabei nicht nur wegen der Risikostreuung für sinnvoll sondern vor allem aufgrund des Lerneffekts. Je mehr verschiedene Aktien ich halte und verfolge, desto mehr Gelegenheit habe ich meine Einschätzungen zu validieren, Muster zu erlernen und über Zusammenhänge nachzudenken. Und nur so kann ich ein besserer Investor werden.

Dennoch muss ich aufpassen, nicht zu sehr zu diversifizieren. Wenn man im Depot eine Aktie mit besserem Wachstum und niedrigerem Preis hat sollte man eigentlich zuerst diese Position aufstocken. Ich sehe aktuell einige Gründe eventuell Mix Telematics oder Wizz Air zu vergrößern…

Mein persönliches Ziel (nicht nur für 2020)  ist vor allem zu verstehen. Verstehen, warum bestimmte Branchen ohne Probleme Geld verdienen, während andere ständig Kapital verzehren. Verstehen wie und wo Wendepunkte in Trends entstehen. Welche Unternehmen tatsächliche Wettbewerbsvorteile haben. Verstehen wie man diese erkennt, und vor allem wie man sie bewertet und welche Unternehmen am stärksten unterbewertet sind. Dass ich das bisher schon häufig schaffe macht mir Mut und motiviert mich. Um dabei weiter zu kommen verspreche ich, weiterhin über das Investieren nachzudenken und zu schreiben. Ich hoffe 2020 bietet mir gute Gelegenheiten dazu!

2 Gedanken zu „Update und Rückblick zum Jahreswechsel 2020

  1. Danke für den interessanten Artikel!!

    Was sagst du zur heutigen Veröffentlichung von Forsikrisking und dem damit verbundenen Kurssturz?

    Grüße

    1. Tja, die Zahlen von Protector Forsikring waren unter meiner Erwartung und offenbar auch unter der des Marktes. Insbesondere hat es im Herbst noch so geklungen, als ob die Preiserhöhungen weitgehend akzeptiert würden – nun scheint das zwar für die (eher wenigen) Vertragserneuerungen Ende letzten Jahres so zu sein, aber nicht für den großen Batzen der im Januar erneuert wurde.

      Warum sollte das einen Kurssturz auslösen? Wie Protector ja richtig bemerkt ist es kein Verlust einen unprofitablen Kunden loszuwerden – im Gegenteil macht es das Portfolio besser. Allerdings könnte es ein Zeichen für wieder aggressivere Preissetzung der Konkurrenten hindeuten. Und das wiederum heißt nichts gutes – entweder die geben sich inzwischen mit weniger bis kaum profitablen Verträgen zufrieden um hohes Volumen zu bekommen, wodurch die ganze Branche in ein wenig profitables Terrain gezogen wird. Oder aber sie halten die Verträge für profitabel – dann hat entweder Protector oder die Konkurrenz das Risiko falsch berechnet…

      Die schlechte Schadensquote im Q4 deutet zusätzlich darauf, dass die Kosteninflation für Protector hoch ist oder die Schadenshäufigkeit unterschätzt wurde. Wenn das so ist könnten auch ein paar mehr aktuelle Verträge wenig profitabel sein. Ich werde auf jeden Fall die Details im Q4-Bericht abwarten, wenn mich der überzeugt und der Preis so niedrig bleibt könnte ich auch nochmal nachkaufen. Allgemein sind Preiserhöhungszyklen bei Versicherern eine gute Sache, und Protector sollte dieses Jahr endlich mal wieder ein gutes technisches Ergebnis einfahren.

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