Archiv der Kategorie: Unternehmensanalysen

Fundamentale Betrachtung von Unternehmen und ihren Bilanzen, Gewinnen, Marktpositionen und Risiken; mit dem Versuch, abzuschätzen ob die Bewertung (also der Preis) günstig oder eher teuer ist.

Livechat Software

Heute schreibe ich mal wieder – und zwar über Livechat Software, eine höchst interessante Firma aus Polen. Allerdings ist der Post etwas untypisch – ich hatte zwar eine kleine Position und bin der Meinung dass es ein qualitativ sehr gutes Unternehmen ist, aber ich habe diese Position Anfang dieses Jahres auch schon wieder verkauft.

Aber was ist so interessant hier?

  • Unglaubliche Profitabilität: mehr als die Hälfte des Umsatzes bleiben als NETTO-Gewinn hängen.
  • historisch sehr gutes Wachstum:
Wachstum (Quelle: https://investor.livechatinc.com/uploads/2021_h1_lvc_presentation.pdf)
  • dazu 3% Dividendenrendite, was man sonst eher bei durchschnittlich guten, kaum wachsenden Unternehmen findet

Ok, das sieht also prinzipiell spannnend aus. So spannend dass ich mit der folgenden Überlegung direkt eine kleine (1%) Position gekauft habe. Die Dividendenrendite von 3% sollte das Unternehmen langfristig ohne Probleme halten können und vermutlich steigern. Wenn das Wachstum der Vergangenheit nur annähernd wieder erreicht wird, dann wird diese in wenigen Jahren bereits auf über 5% steigen. Wenn Livechat es schaffen könnte, einige der neuen Produkte auf eine ähnliche Größe zu bringen wie das Kernprodukt Live Chat, dann wäre das ein erstklassiges Unternehmen mit herausragender Qualität und niedriger Bewertung, dass sich im Kurs noch vervielfachen kann, da sich in dem Fall auch die Gewinne vervielfachen könnten.

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Helma – günstiger Häuslebauer

Wenn ich beschreiben sollte mit welcher Kategorie von Aktien ich bisher die besten Erfahrungen gemacht habe wäre es folgende: wenig beachteter deutscher Nebenwert, sehr günstige Multiples (KGV<15, niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis) und trotzdem gute Aussichten und eine Historie von solidem Wachstum (mind 5-10%). Darunter fielen bisher meine Investments in z.B. IVU, Funkwerk, Steico, ABO Wind, Hornbach oder Tick TS. Der Vorteil ist klar: wenn zumindest der Gewinn gehalten wird, ist durch die niedrigen Multiples der Verlust begrenzt. Wenn der Wachstumstrend sich aber beschleunigt und die Gewinne steigen, dann haben die Werte mitunter Potential in komplett andere Größenordnungen hineinzuwachsen und sich zu vervielfältigen.

Helma Eigenheimbau ist ein Bauträger und Projektentwickler für Wohngebäude und passt sehr gut in diese Kategorie. In Kürze die wesentlichen Punkte:

  • KGV 2019 ~ 11
  • KBV nominell 1,6 – allerdings eher 1 wenn man den Wertanstieg der Grundstücke berücksichtigt
  • konsistent zweistellige Eigenkapitalrendite
  • bis 2016 starkes Wachstum, seitdem eher Stagnation – allerdings weiter Wachstum bei Eigenkapital, Vorräten und Marge

Das Unternehmen

Helma besteht seit 1980 und wurde bis vor einiger Zeit von Mitgründer Karl-Heinz Maerzke geführt, der immer noch im  Aufsichtsrat sitzt. Das Angebot umfasst verschiedene Dienstleistungen um den Wohnungsbau. Wer ein Haus bauen möchte kann dies von Helma auf einem eigenen Grundstück planen und bauen lassen oder aber auch direkt ein Haus “Schlüsselfertig” in Auftrag geben und mitsamt Grundstück kaufen. Helma – günstiger Häuslebauer weiterlesen

Lang & Schwarz – Profiteur des Kleinanlegerbooms

Ich habe wie bereits in meinem letzten Post erwähnt Aktien von Lang&Schwarz gekauft – und zwar direkt nach den Halbjahreszahlen zu gut 32€. Nach starkem Anstieg habe ich im Dezember ein Stop-Loss gesetzt was (sehr knapp) ausgelöst wurde, nach der letzten Meldung aber dann zumindest die halbe Position zurückgekauft. Hier meine Gedanken:

Geschäft

Was macht LuS? Den meisten deutschen Anlegern dürfte das Unternehmen sehr gut bekannt sein, denn es ist ein wichtiger Spieler am deutschen Kapitalmarkt. Die Geschäftstätigkeiten umfassen dabei:

  • Ausgabe strukturierter Produkte: Hier werden Zertifikate und ähnliche Wertpapiere verkauft, insbesondere  ist LuS z.B. für die Emittierung der Wikifolio-Zertifikate zuständig. Insofern habe ich durch mein Wikifolio schon länger mit dem Unternehmen Berührungspunkte. Aus dem GB 2019 wissen wir, dass z.B. Turbozertifikate besonders profitabel sind (Umsatz Issuing 30% Rückgang + Umsatz Tradecenter 30% Anstieg = Rückgang des Handelsergebnisses um 15%).
  • Broker: hier betreibt LuS klassisches Market Making und Brokerage
  • TradeCenter: eine Plattform für außerbörslichen Handel von Wertpapieren
  • LS Exchange: Das Handelssystem der Hamburger Börse. Hierüber laufen zum Beispiel sämtliche Trades der enorm schnell wachsenden und inzwischen wohl zu den wertvollsten Fintechs Deutschlands gehörenden TradeRebuplic.

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Sayonara Sawai, Sayonara Ateam

Ich habe vor einigen Jahren (konkret 2017), als es immer schwerer wurde unter deutschen Nebenwerten die klassischen Valueaktien zu finden, Japan als einen kleinen Investmentschwerpunkt gewählt und dort in einige Aktien investiert. Das waren die beiden IT-Dienstleister Toho System Science und Minori Solutions (verkauft mit 25% bzw 100% Gewinn), der CAD-Software-Spezialist Argo Graphics (verkauft 2018 mit fast 50% Gewinn, seitdem noch deutlich weiter gestiegen…) sowie Sawai Pharmaceutical und Ateam. Letztere waren dabei meine am höchsten gewichteten Positionen, die allerdings im Gegensatz zu den anderen eher enttäuscht haben. Ich habe mich nun entschieden dieses Kapitel vorerst abzuhaken, daraus zu lernen und das ganze zu reflektieren.

Sawai Pharmaceuticals

Sawai ist seit meinem Kauf (zu knapp 6000 Yen) mehr oder weniger seitwärts gelaufen bzw leicht gefallen, während die Gewinne in Amerika vom Konkurrenzdruck (man schaue sich die Kurse von Mylan und Teva an!) und in Japan von den ständigen Sayonara Sawai, Sayonara Ateam weiterlesen

Maklerpools Teil 3: JDC Group

Dieser Post ist Teil einer Mini-Serie zu Maklerpools, den ersten Teil (Marktübersicht) findet ihr hier, als zweiten Teil habe ich hier Netfonds unter die Lupe genommen (und mir einige Aktien gekauft).

Die JDC Group (Jung, DMS & Cie) agiert im wesentlichen als Maklerpool und Haftungsdach. Zudem betreibt das Unternehmen über die Tochter FiNUM auch selbst Finanzprodukte an Endkunden – dieser Bereich hat 2019 immerhin knapp 30 der 111 Mio € Umsatz erzielt. Außerdem gehört die Plattform Geld.de zu JDC. Maklerpools Teil 3: JDC Group weiterlesen

Maklerpools Teil 2: Netfonds

Heute kann ich endlich (mit etwas Verspätung, was unter anderem an mehr Recherche und daran liegt, dass ich Vater geworden bin) meine kleine Mini-Serie fortsetzen und zur Analyse von Netfonds kommen. Netfonds ist ein Hamburger Unternehmen und startete im Jahr 2000. Heute ist Netfonds der zweitgrößter Maklerpool in Deutschland sowie das größte konzernunabhängige Haftungsdach und hat über 4800 Partner. Das Wachstum erfolgte sowohl organisch als auch durch Übernahmen und ist bemerkenswert hoch: seit 2015 ist man durchschnittlich 15% im Jahr gewachsen. Netfonds ist erst 2018 an der Börse gelistet. Das Listing erfolgte laut Pressemitteilung wohl zu einem Preis von 29,50€, dieser sackte aber recht bald in Richtung 20€ ab. Inzwischen sind die Maklerpools Teil 2: Netfonds weiterlesen

Heute kann ich endlich (mit etwas Verspätung, was unter anderem an mehr Recherche und daran liegt, dass ich Vater geworden bin) meine kleine Mini-Serie fortsetzen und zur Analyse von Netfonds kommen. Netfonds ist ein Hamburger Unternehmen und startete im Jahr 2000. Heute ist Netfonds der zweitgrößter Maklerpool in Deutschland sowie das größte konzernunabhängige Haftungsdach und hat über 4800 Partner. Das Wachstum erfolgte sowohl organisch als auch durch Übernahmen und ist bemerkenswert hoch: seit 2015 ist man durchschnittlich 15% im Jahr gewachsen. Netfonds ist erst 2018 an der Börse gelistet. Das Listing erfolgte laut Pressemitteilung wohl zu einem Preis von 29,50€, dieser sackte aber recht bald in Richtung 20€ ab. Inzwischen sind die Maklerpools Teil 2: Netfonds weiterlesen

Übernahme Minori Solutions, Kauf Abo Wind

In meinem Portfolio gibt es zwei Neuigkeiten: ein Übernahmeangebot und ein neues Investment.

Verkauf: Minori Solutions

Das japanische IT-Unternehmen Minori Solutions hatte ich bei einem Preis von 1300 Yen je Aktie im Juli 2017 in diesem Blog vorgestellt.

Der Grund damals: Ein solides Wachstum im mittleren einstelligen Bereich, hochprofitabel, aber dennoch die Hälfte des Marktwerts durch liquide Mittel gedeckt. Das KGV lag bei auch für Japan niedrigen 11,5.
In der Zwischenzeit ist das Wachstum weitergegangen, es wurden auch Dividenden erhöht und Aktien zurückgekauft – und nun kam ein Gebot vom bisher mit 10% beteiligten Großaktionär SCSK, die Aktien zu 2700 Yen zu übernehmen. Gegenüber den vorherigen Kursen (etwa 1900 Yen) ist dies ein Aufschlag von über 40%. Ich gehe davon aus, dass die Übernahme mit den anderen Großaktionären bereits im Vorfeld geklärt wurde und diese ihre Aktien verkaufen. Da ich nicht weiß, wie die Regelungen bezüglich Squeeze-out und Delisting in Japan sind und die extreme Unterbewertung nun durch einen zumindest fairen Preis aufgelöst wird, habe ich meine Aktien verkauft. Der Preis hat sich im Moment sehr fest bei 2696 Yen eingepegelt, der Markt scheint also ebenfalls fest von einem Erfolg der Übernahme auszugehen.

Insgesamt ist dies ein weiteres Beispiel für die Art von Investment mit der ich bisher am besten gefahren bin: KGV höchstens 15, solides aber nicht berauschendes Wachstum, solide Vermögens- und Gewinnsituation. Unter dem Strich steht für mich hier ein Gewinn von 1400 Yen pro Aktie, während der Yen leicht stärker wurde (von 1:130 zu 1:120). In Euro habe ich damit 125% + Dividenden erzielt, bzw. annualisiert mehr als 40%.

Wenn ihr neue Aktien mit so einem Profil entdeckt – her damit in die Kommentare, ich brauche Nachschub!

Kauf: Abo Wind

Eine detaillierte Analyse habe ich hier bisher noch nicht geschrieben, aber ich will euch mein neuestes Investment nicht vorenthalten: Abo Wind, ein Projektentwickler für erneuerbare Energieerzeugung aus Solar und Wind.

Wusstet ihr, dass 95% der 2018 in der EU ans Netz gegangenen Stromerzeugungskapazität erneuerbar war? Und das einen großen dieser Anlagen mittelständische Projektentwickler wie Abo Wind (oder an der deutschen Börse auch PNE und Energiekontor) planen und errichten?

Traditionell vor allem im deutschen Windsektor tätig hat sich die Abo Wind inzwischen breiter diversifiziert. Angesichts des von der Politik trotz aller leeren Pläne zum Ausbau von Ökostrom fast abgewürgten Windkraftausbaus in Deutschland ist dies ein echter Trumpf, so ist Abo Wind unter anderem in Argentinien, Finnland, Irland, Frankreich und Spanien aktiv. Der Gewinn konnte nach sehr starken Jahren 2016/2017 nicht auf Rekordniveau gehalten werden und viel von 2017 auf 2018 von 17 auf 12,5 Mio €. Dieses Jahr kann man auf gut 10 Mio € hoffen, was immer noch eine zweistellige Eigenkapitalrendite ist. Dem gegenüber steht eine Marktkapitalisierung von gerade einmal 130 Mio €. Die Firma hat lange Geschichte hoher Profitabilität, eine hervorragend gefüllte Projektpipeline gerade von Projekten im relativ frühen Stadium, ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,3 und das Ziel des Vorstands in einigen Jahren regelmäßig über 20 Mio€ im Jahr zu verdienen. Die Gewinnmargen sind ordentlich: obwohl in der Projektentwicklung jedes Jahr hohe Summen abgeschrieben werden müssen erreicht Abo Wind Nettorenditen von etwa 10%.

Natürlich kann das Geschäft schwanken, und ich gebe zu dass es keinen “Moat”, also dauerhaften Burggraben gibt. Angesichts der guten Wachstumsaussichten und eines KGV von etwa 10 auf den Durschschnitt der letzten Jahre halte ich die Aktie für stark unterbewertet. Auch wenn der wenig liquide Handel an der Hamburger Börse zu dem Abschlag beitragen dürfte sehe ich erhebliches Aufwärtspotential.

Anhaltspunkt dafür könnte die aktuelle Übernahme des Konkurrenten PNE Wind durch einen Morgan-Stanley-Fonds sein: Die Amerikaner bieten 4€ je Aktie, nachdem diese lange bei nur 2,50€ dümpelte. Dennoch könnte sich das ganze als Schnäppchen erweisen, und offenbar sind nicht alle Aktionäre mit dem Preis zufrieden.

Das Risiko ist natürlich, dass Projekte schiefgehen oder nicht zum kalkulierten Preis verkauft werden können. Das früher stark vorhandene politische Risiko sehe ich hingegen nicht mehr, da der Preis für Wind- und Solarstrom in vielen Weltgegenden absolut konkurrenzfähig ist.

Ein Problem ist freilich, dass die Bilanz von außen schwer zu verstehen ist. Hier werden die Leistungen für Planung und Errichtung der Anlagen aktiviert, was bedeutet dass man an einen höheren Wert dieser Leistungen glauben muss. Allerdings halte ich das Management nach dem langen Erfolg für vertrauenswürdig genug. Die Gründer Ahn und Bockholt sind nach wie vor an der Unternehmensspitze und gleichzeitig Großaktionäre, sie sollten also im Interesse der Aktionäre handeln.

Ich habe meine Aktien für 15€ / Stück gekauft und plane hier langfristig zu halten. Schön für das Gefühl ist auch, dass die Firma an der Lösung eines der größten Probleme der aktuellen Zeit, dem Klimawandel, mitwirkt. Ist nur zu hoffen dass unsere Regierung mitbekommt, dass an der Windenergie in Deutschland mehr Jobs hängen als an der Kohle…

Kauf Funkwerk – Wachstum mit Bahntechnologie

Heute will ich meine neueste Aktie im Depot vorstellen: Funkwerk.

Funkwerk ist ein mittelständischer Betrieb aus Thüringen, der vor einigen Jahren erhebliche wirtschaftliche Probleme bekam, inzwischen aber einen erfolgreichen Turnaround hinter sich und deutlich Fahrt aufgenommen hat.

Der Kursverlauf zeigt sehr schön den Absturz und Wiederaufstieg von Funkwerk.

Der langfristige Chart zeigt das auch deutlich: Nach dem Börsengang im neuen Markt und darauffolgendem Hoch von über 40€ fiel der Kurs 2015 bis unter 2€. Man sieht aber auch, dass ich den schönen Anstieg des Turnarounds verpasst habe, anders als etwa Bloggerkollege Michael Kissig, der hier ein gutes Händchen hatte. Dennoch habe ich mir das Unternehmen genauer angesehen und gehe von weiterhin sehr großem Potential aus.

Geschäftsmodell

Funkwerk verkauft Lösungen für Zugfunk und -Kommunikation, Reisendeninformationen (das sind z.B. Bahnhofslautsprecher oder die digitalen Anzeigetafeln, die zeigen wann der nächste Zug kommt), und Videosysteme. Im Bereich GSM-R Zugfunksysteme (digitaler Zugfunk auf Basis einer GSM-Erweiterung) ist die Firma nach eigenen Angaben sogar Weltmarktführer. Gerade im Bereich Zugfunk wird aktuell die recht späte Digitalisierung vorangetrieben , z.B. mit dem EU-weit einheitlichen Standard ETCS (European Train Control System) zur elektronischen Zugsteuerung. Dieser wird nach und nach umgesetzt, und dadurch steigt die Nachfrage der Zughersteller nach entsprechenden Komponenten.
Auch insgesamt dürften die Investitionen in die Schiene (nach langer Durststrecke) wieder zunehmen – in Deutschland werden der Bahn über die kommenden Jahre erhebliche zusätzliche Mittel bereitgestellt und das als Klimaschutzmaßnahme verkauft. Natürlich, wer sich mal die Geschäftszahlen der DB angeschaut hat, weiß natürlich dass der Bund als Eigentümer aufgrund der finanziellen Lage im seit langem nicht besonders gut geführten Konzern einfach eine Kapitalspritze geben muss. (Würde es der Regierung ernsthaft um Klimaschutz gehen hätte sie sich die Subventionen für das Auto sparen können, nun ja.) Trotzdem sollte Funkwerk profitieren wenn der Investitionsstau der Bahn sich auflöst, und zugleich europaweit die (oft versteckten) Subventionen für den Flugverkehr unter Beschuss kommen. Zudem wird in vielen Teilen der Welt mit steigender Urbanisierung immer deutlicher, dass die Politik der autogerechten Städte in eine Sackgasse führt und mit der Bevölkerungsdichte in Metropolen nicht kompatibel ist – daher ist der Ausbau der S- oder U-Bahn in den Städten oft die einzige Methode um den innerstädtischen Verkehr in wachsenden Städten noch zu bewältigen.
Im Videosystembereich adressiert Funkwerk hingegen nicht nur Bahnkunden, sondern auch sonstige professionelle Anwender von Videoüberwachungssystemen. Auch dies ist ein strukturell wachsender Markt, der durch die Fortschritten in der Videoanalyse mit künstlicher Intelligenz (etwa Gesichtserkennung) neuen Schub bekommen könnte.

Insgesamt schätze ich, dass die Geschäftsbereiche von Funkwerk attraktiv sind: Da die Komponenten sicherheitskritisch sind, aber nicht die Hauptkosten eines Zuges ausmachen, spielt die Qualität eine wichtige Rolle -hoffentlich mehr als der Preis. Und da der Bahnverkehr in den meisten Ländern in öffentlicher Hand oder zumindest entsprechend reguliert ist, dürfte der Bereich recht unabhängig von der sonstigen Industriezyklik sein. Gerade jetzt wo in Deutschland eine Rezession zu beginnen droht ist das ein Vorteil.

Zahlen

Wie ihr wisst bin ich ein Verfechter eines an Fundamentaldaten und Kennzahlen orientierten Investierens – was bringt mir eine tolle Aktie, wenn sie total überbewertet ist?

Zum Glück ist Funkwerk nicht überbewertet, im Gegenteil. Der momentane Marktwert des Unternehmens liegt bei rund 150 Mio €, bei einem Nettokassenstand von fast 30 Mio € zum letzten Halbjahresbericht. Dazu kommt ein starker Cashflow, der 2018 über dem Nettogewinn lag und 13,8 Mio € betrug. Der Gewinn betrug 7,4 Mio € und dürfte dieses Jahr weiter steigen – im ersten Halbjahr 2019 waren es bereits 4,8 Mio € , nach 2,5 Mio € im Vorjahr. Funkwerk hat dabei in den letzten Jahren die selbst gesteckten Prognosen immer wieder übertroffen. Auch dieses Jahr sieht die Prognose deutlich zu pessimistisch aus: Das (schon angehobene) Ziel sieht einen Umsatzanstieg von 6% und ein leicht fallendes EBIT von 11 Mio € vor. Stand zum Halbjahr: 20% Wachstum bei Umsatz und Auftragseingang sowie ein EBIT-Anstieg von 3 auf 5,4 Mio.

Hier eine Tabelle mit den Ergebnissen der letzten Jahre:

Werte in Mio€
2014 2015 2016 2017 2018
Umsatz 94,1 95,1 77,4 77,6 82,7
EBIT 1,4 5,1 5,4 7,2 11,4
Jahresüberschuss/-fehlbetrag -1,8 7,5 4 4,4 7,4
Umlaufvermögen 44,8 40,5 46,1 51,2 58,9
Anlagevermögen 11,6 10 9,6 9,2 8,7
Summe Fremdkapital 46,1 32,7 33,9 34,1 36
Summe Eigenkapital 10,3 17,8 21,8 26,2 31,6
Ergebnis je Aktie (verwässert) -0,22 0,92 0,5 0,54 0,91
Entwicklung der Bilanz und Gewinne seit 2014

 

Wie man sieht wurde nicht nur die Gewinnsituation verbessert, sondern zusätzlich auch das Working Capital – deshalb waren die Cashflows etwa im letzten Geschäftsjahr deutlich über dem Gewinn. Das ist für ein Zeichen dafür, dass das Management hier seit 2015 deutlich besser geworden ist und eine Menge Verbesserungen umgesetzt wurden.

Beachtlich finde ich außerdem die Eigenkapitalrendite: 2018 lag sie (trotz des erheblichen Bargeldbestands) bei 23%. Sollte 2019 tatsächlich ein Gewinn von rund 10 Mio€ erreichbar sein würde sie sogar auf 30% steigen.
Diese geringe Kapitalintensität des Geschäftes ermöglicht hohe Cashflows selbst bei hohem Wachstum. Wenn man einen langfristigen Ansatz verfolgt ist eine hohe Eigenkapitalrendite schon fast Grundvoraussetzung damit eine Firma in Frage kommt. Zudem signalisiert eine hohe Eigenkapitalrendite in der Regel auch eine sehr gute Wettbewerbsposition des Unternehmens – in jeder Hinsicht ist diese Kennzahl also höchst erfreulich. Was man auch deutlich erkennen kann: die Gewinne stiegen bereits vor den Umsätzen – das liegt daran, dass Funkwerk eine drastische Schrumpfkur hinter sich hat. Es zeigt aber auch dass der Firmenleitung bewusst ist, dass es nicht zuerst um wachsende Umsätze, sondern Gewinne geht.

Einstieg bei Euromicron

Eine große Schlagzeile gab es für Funkwerk, als im Sommer der Einstieg bei Euromicron verkündet wurde. Euromicron ist ein Dienstleister im Bereich der Netzwerktechnik, im Prinzip ein Bauunternehmen für Verkabelungen, das sich auch unter meinen ehemaligen (und unerfolgreichen) Investitionen befindet – Blogeinträge hier: Euromicron Vorstellung, Euromicron – Bilanzfehler.

Um die Geschichte kurz zu machen: der damalige Vorstand hatte ein (zu) ehrgeiziges Expansionsprogramm gestartet, wollte auf einen Umsatz von 500 Mio € kommen und kaufte unzählige Firmen auf. Dabei wuchs allerdings die Schuldenseite der Bilanz immer weiter an, während die Profitabilität auf der Strecke blieb. Irgendwann war das Eigenkapital nur noch durch immaterielle Werte gedeckt, und diese mangels Profitabilität nicht nachhaltig – die Schulden waren aber real und mussten bedient werden. Es folgte ein langer Absturz, selbst eine Insolvenz war eine realistische Option wie man an den Diskussionen in Börsenforen zur bald fälligen Anleihe sieht. Auf jeden Fall ein Musterbeispiel dafür, wie übertriebene Gier nach Umsatzwachstum ein Unternehmen ruinieren kann.

Ausgerechnet in diesen Sanierungsfall kaufte sich nun Funkwerk ein. Der Einstieg erfolgte über zwei Tranchen – eine Kapitalerhöhung von 10% des Kapitals nur für Funkwerk und anschließend noch einmal drei mal so viele Aktien mit Bezugsrecht für alle Euromicron-Aktionäre. Im Endeffekt hat Funkwerk hier für 5,2 Mio€ einen Anteil von 15% der Euromicron-Aktien zu 3,40€ je Aktie gekauft. Da die Aktie aktuell bei 4,80 € notiert scheint der Preis nicht schlecht gewesen zu sein. Zudem wurde der Aufsichtsrat ausgetauscht, dieser wird nun von Herrn Radke, der Aufsichtsratsvorsitzender von Funkwerk und CEO von Funkwerks bestimmenden Aktionär Hörmann ist, geleitet. Aber auch sonst denke ich, dass der Deal sich als ziemlich positiv herausstellen könnte: der Preis von 5 Mio gibt Funkwerk eine gute strategische Position. Kurzfristig können eventuell Kooperationen das Geschäft beider Partner voranbringen, denn auch für Euromicron ist die Bahn einer der wichtigsten Kunden. Sollte sich die Lage bei Euromicron nicht bessern, dürften Unternehmensteile verkauft werden um Geld reinzubekommen – und dann kann es für Funkwerk mit der gut gefüllten Kasse nur vorteilhaft sein darüber als erstes Bescheid zu wissen, den Prozess zu beeinflussen und außerdem über die gute Kenntnis der Firma die Filetstücke zu identifizieren.
Gelingt hingegen der Turnaround ähnlich wie bei Funkwerk, dann dürfte der Wert des Aktienpaketes massiv zulegen.

Aktionärsstruktur

Auf eine Sache muss man sich allerdings einlassen: Funkwerk ist fest in der Hand des Mehrheitsaktionärs Hörmann, der knapp 80% der Stimmen hält. Wer also Übernahmespekulationen oder aktivistische Streitigkeiten gern hat wird hier ziemlich sicher nicht auf seine Kosten kommen. Im schlechtesten Fall könnte es sogar ein Delisting geben, auch wenn dieses aktuell scheinbar nicht auf der Tagesordnung steht.

Mir persönlich macht dies allerdings nichts aus, im Gegenteil finde ich es gut, wenn ein langfristig orientierter Mehrheitsaktionär engagiert ist und für eine verlässliche Unternehmenspolitik garantiert.

Fazit und Bewertung

Was gefällt mir nun so an Funkwerk, dass ich mir eine kleine Position an Aktien gekauft habe?

Im wesentlichen, dass Funkwerk einige Charakteristika aufweist, die sich auch bei vielen meiner früheren, erfolgreichen deutschen Nebenwerteinvestments fanden:

  • solide Bilanz (deutlicher Nettocashbestand)
  • gute mittelfristige Wachstumsaussichten (Abbau des Investitionsstaus bei der Deutsche Bahn)
  • akzeptable Bewertung – auf Basis meiner Schätzung von bis zu 10 Mio €  Gewinn liegt das KGV Cashbereinigt bei 12, sonst bei 15
  • gute Entwicklung der jüngeren Vergangenheit
  • dazu aktuell hohes Momentum der Aktie

In vielem ähnlich sah die Situation auch mal bei IVU, Steico, Polytec, Sixt oder Mix Telematics aus, alles Käufe die ich auch im Nachhinein als richtig einschätze.

Die geringe Konjunkturabhängigkeit gefällt mir darüber hinaus momentan besonders gut, auch die konservativen Prognosen des Managements, die dann doch meistens übertroffen werden und die herausragenden Kapitalrenditen. Langfristig könnte es ein weiterer Treiber sein, wenn Euromicron wieder in die Spur kommt, aber auch sonst erscheint mir die Aktie attraktiv.

Fintech Group AG

Heute möchte ich die Fintech Group AG vorstellen – ein Unternehmen das ich lange vielleicht unterschätzt habe.Große Teile des Textes habe ich bereits im Herbst für einen Wettbewerb geschrieben, und auch Ende 2018 bereits die Aktien gekauft. Nach den offiziellen Geschäftszahlen vor wenigen Tagen habe ich das ganze nochmal überarbeitet und möchte euch meine Gedanken nicht vorenthalten. Insbesondere gibt es hier bei allem Positiven durchaus einige Negativpunkte, die man diskutieren kann, und ich bin gespannt auf eure Kommentare.

Bekannt ist dem deutschen Privatanleger vermutlich vor allem Flatex, der Onlinebroker der Fintech Group. Flatex ist mit einer Gebühr von 5,90 je Transaktion an deutschen Handelsplätzen einer der günstigsten deutschen Broker. Inzwischen hat die Fintech Group auch bekanntgegeben, dass der Name bald wieder in Flatex AG (zurück-) geändert werden soll.

Was genau ist an der Aktie der Fintech Group so interessant?

  • Hohe Skalierbarkeit – Gewinne sollten bei Wachstum weit überproportional steigen
  • Anhaltend starkes Kundenwachstum und geringe Abwanderung
  • Akzeptable Bewertung: Gewinn 2018 knapp 1,20€ je Aktie, Kurs aktuell gut 20 €
  • Expansion ins europäische Ausland steht an

Unternehmen und Geschäftsmodell

Die Fintech Group ist in der jetzigen Form Fintech Group AG weiterlesen

Tick Trading Software – zu günstig um wahr zu sein?

Investoren legen ja Wert auf unterschiedliche Dinge, wenn sie in Unternehmen investieren. Der eine will eine hohe Marge sehen, der nächste ein starkes Geschäftsmodell, der nächste hohe Dividenden, der nächste kontinuierliches Wachstum. Was wenn alles zusammenkommt – sollte man dann nicht kaufen?

Wie ihr wisst suche ich immer wieder nach interessanten Ideen für unterbewertete Aktien. Die meisten davon lege ich schnell zur Seite, weil sie mir entweder nicht günstig oder nicht qualitativ gut genug erscheinen. Bei einigen wenigen bin ich überzeugt zu investieren. Und in diesem Fall bin ich einfach hin- und hergerissen: Ist die Aktie ein Schnäppchen oder übersehe ich etwas?

Dieses Gefühl hatte ich in der Form übrigens zuletzt bei der Mevis Medical Solutions, die ich auch hier im Blog besprochen hatte und in die ich am Ende nicht investiert hatte. Wohlgemerkt, nachdem ich während ich den Artikel geschrieben habe dreimal meine Meinung geändert habe ob ich investieren sollte oder nicht. Im Nachhinein die falsche Entscheidung – der Kurs hat sich seither verdoppelt!

Und die Tick TS (Tick Trading Software) AG hat durchaus ein paar oberflächliche Parallelen zum damaligen Fall: Beides sehr kleine und dünn gehandelte Software-Unternehmen, beide mit guten Margen, Tick Trading Software – zu günstig um wahr zu sein? weiterlesen