Spätestens als es die Börenkurse gestern (24.8.15) bei Spiegel Online auf den ersten Platz schafften war allen klar, dass der berüchtigte Mr. Market mal wieder am durchdrehen ist und vor dem Untergang der Welt(-wirtschaft) Panik schiebt. Ich persönlich habe im Moment keine große Angst vor der (eigentlich schon lange angekündigten) Chinakrise. Allerdings bringt mich der Kurssturz gerade zum Nachdenken darüber, was ein sinnvoller Bestandteil an Bargeld in einem Aktiendepot sein sollte…
Wer Mr. Market nicht kennt: er ist eine Figur, eine Metapher auf die Irrationalität der Börse. Man stelle sich vor, du hättest einen Geschäftspartner der versucht seinen Anteil am Geschäft ständig mit dir zu handeln. Manchmal ist er euphorisch, preist Aktien als alternativlos an und versucht dir damit den Anteil für überhöhte Preise zu verkaufen (oder kauft dir deinen ab) . Manchmal, wie in den letzten Wochen, bekommt er angesichts der Meldungen aus dem fernen China oder sonst irgendwo Angst, dass es doch abwärts gehen könnte. Nun kommt er jeden Tag ins Büro und setzt einen niedrigeren Kurs für den Anteil an, lamentiert über die trüben Aussichten und droht am nächsten Tag noch weniger zahlen zu können. Er wird immer nervöser, liest dir nur noch die schlechten Meldungen vor, erinnert dich an die letzten Crashs und versucht dich in Panikstimmung zu bringen. Manche Anleger lassen sich davon anstecken, wollen ihre Anteile schnell loswerden und verkaufen unter Wert.
Doch wie die großen alten Value-Meister raten, sollte man Mr. Markets Launen eher nüchtern für sich ausnutzen, als sich von ihm ausnutzen zu lassen!
Was Mr. Markt mit der Bargeldhaltung zu tun hat
Bei den Kursen von gestern: IBM auf 123€ runter, IVU auf 3,50€ , Aareal unter 32€, Hypoport auf unter 28€ – juckte es mich durchaus in den Fingern. Allein: Selbst wenn die Kurse um die Hälfte fallen würden, ich könnte eigentlich nicht nachkaufen. Meine einzige nennenswerte Barreserve befindet sich auf einem uralten Bausparvertrag mit 4% Guthabenzins, den ich eigentlich nur ungern auflösen möchte.
Standardmäßig wird daher empfohlen, stets einen gewissen Anteil an Geld auf Vorrat im Depot zu halten. Normalerweise bringt dieses dann ja auch Zinsen, und im momentanen Umfeld mit verschwindend geringer Inflation behält es ja auch fast seinen Wert wenn man keine Zinsen erhält.
Geld ist nun das Mittel, um mit Mr. Market zu handeln. So lange man entweder nur Geld oder nur Aktien hat, kann man immer nur in einer bestimmten Situation den armen Kerl ausnutzen. Hat man aber beides, dann kann man das im Prinzip immer, wenn er in eine seiner irrationalen Psychosen verfällt: Will er seine Aktien unbedingt loswerden, kann man ihm ein kleines bisschen vom Geld abgeben und ihm helfen sich vor dem befürchteten Weltwirtschaftsuntergang sicherer zu fühlen.
Vorteile von Geld
Geld hat immense Vorteile. Ich habe erst vor kurzem gelesen, dass Warren Buffet Geld als eine unendliche Option auf fallende Kurse bezeichnete. Der Gedanke dahinter ist genau das Problem, in dem ich gerade stecke: wenn die Kurse einmalig günstig sind, dann will man nachkaufen. Das geht nur, indem man dann sein Geld in die Hand nimmt.
Für die Ausgaben, die in realistischer Weise erwartet werden können, sollte man ohnehin das Geld vorrätig haben. Es kann aber immer passieren, dass unvorhergesehene Ausgaben nötig werden. Wenn man dann auf die Aktien zurückgreifen muss und es gerade schlecht aussieht, kann man zu Verlusten gezwungen werden. Insbesondere gilt das, wenn man wegen einer Rezession seine Arbeit verliert – dann sind die Aktien mit Sicherheit genauso am Boden.
Wie gerade beschrieben, ist Geld aber wichtig um den armen Mr. Market für sich nutzen zu können. Wenn man schon weiß, dass seine Launen meist unbegründet sind und sich schnell ändern kann man sich ja vorbereiten!
😀
Aber…
Wenn ich mir die Vorteile anschaue, bin ich schnell überzeugt davon einen genügend großen Puffer als Geld zu halten. ABER:
Niemand kann die Börse kurzfristig wirklich vorhersagen. Andernfalls wäre nicht ein ultra-langfristiger Anlege wie Buffet der mit Abstand reichste und erfolgreichste Investor geworden. Woher will ich also wissen, dass der DAX nach 20% Minus nicht noch weiter 30% verliert? Woher will ich wissen, ob die Einstiegskurse später nicht noch günstiger sind? Immerhin sind einige der jetzt fallenden Aktien meiner Meinung nach klar überteuert und könnten noch ein Stück weiter fallen. (Wer bewertet eigentlich einen ständigen Kapitalerhöher ohne Burggraben wie Zooplus mit 10-fachen Buchwert?)
Im Moment ist es genauso: die Kurse vieler Aktien sind meiner Meinnug nach unbegründet stark gefallen und sollten wieder auf ihr altes Niveau zurückkommen. Andererseits: Geht es der Wirtschaft wieder schlechter, sinken die Gewinne vielleicht auch wegen höherer Steuern oder Regulierung, dann ist der ganze Markt auf einmal weniger günstig. Sollte ich also kaufen? Oder warten und eventuell sogar verkaufen?
Keie Ahnung!
Eine feste Geldquote von z.B. 20% des Depotvolumens würde ja bedeuten, dass man auch am Tiefpunkt noch 20% Cash halten muss. Haben sich die Aktien im Depot wegen eines Crashs halbiert, so setzt das natürlich die Hälfte der Cashbestände für Investitionen frei. In diesem Fall würde das bedeuten, dass man durch den Crash auf 40% Geldanteil kommt. Sobald die Aktien sich aber erholen, muss man sofort verkaufen oder Dividenden in den Geldbestand buchen, um die alte Quote aufrecht zu erhalten. Das mag für Investoren im Millionen-Euro-Bereich funktionieren. Meiner Strategie entspricht ständiges rebalancing aber nicht. Abgesehen davon: Ich bin mir nicht sicher ob ich in einer echten schlimmen Marktpanik, wo alle die neue Great Depression ausrufen, nicht auch lieber auf meinem Cashberg sitzen bleibe?
Dennoch halte ich das Rebalancing-Argument für dasjenige, das am ehesten Sinn macht. Graham empfahl ja dem durchschnittlichen Investor das Depot zur Hälfte in Anleihen und zur anderen Hälfte in Aktien zu investieren. Verändert sich dieses Verhältnis mit der Zeit (weil sich zum Beispiel Zinsen ändern oder Aktienmärkte ihre Zyklen durchleben) wird das Verhältnis wieder angepasst. Das ganze könnte man für große Depots noch beliebig auf feste Quoten für andere Anlageklassen erweitern. Geht man davon aus, dass die Anlageklassen gegeneinander auf irrationale Weise schwanken, dürfte dieser Ansatz sogar klar Überrenditen erzielen.
Mein Fazit
Ich glaube, jeder sollte sich dessen bewusst sein wo man seine Schwächen und wo seine Stärken hat. Meine liegt definitiv nicht darin, die kurzfristige Entwicklung einschätzen zu können. Wie ich mich einschätze, würde ich bei einem Crash viel zu früh kaufen, oder in einer kurzen Korrektur aus Angst vor einem Crash gar nicht. Auch wenn ich versuche meine Entscheidungen unabhängig von Mr. Market zu treffen, ich lasse mich gelegentlich doch verunsichern. Da ich im Vergleich Anleihen als stark überbewertet sehe, fällt das Rebalancing auch eher weg. Die Alternative, für die ich mich entscheide bleibt: So viel Geld, wie man mittelfristig nötig hat, versuche ich immer zu haben, aber eine Liquiditätsreserve für den Einstieg in Börsencrashs spare ich mir. Meine Cashquote dürfte daher in der Regel im einstelligen Bereich liegen. Für mich halte ich es für psychologisch einfacher, die Aktien in allen Marktphasen zu halten und gegebenenfalls neu zu bewerten und umzuschichten, als mich zwischen Geld und Aktien entscheiden zu müssen. Es sei denn, die Bewertungen sind irgendwann alle so absurd hoch, dass ich aus diesem Grund aussteige.
Wer es besser beherrscht, in schwachen Zeiten mutig und in euphorischen ängstlich zu sein, sollte sich aber durchaus die Möglichkeit offenhalten eine hohe Cashposition zu halten. Wenn Mr. Market mit Angstschweiß auf der Stirn versucht seine Aktien zu jedem Preis zu verkaufen – hey, warum nicht zuschlagen? Und wenn er meint dass alles super läuft ihm einfach für das doppelte zurückgeben… Der Rendite schadet es eher wenig denke ich – den geringeren Dividenden und Kurssteigerungen im Bullenmarkt stehen dann günstige Käufe im Crash gegenüber, die das ganze ausgleichen.
Wie haltet ihr das? Was ist eure bevorzugte Cashquote?
Ich kann Deine Gedankengänge gut nachvollziehen, Tobi. Cash ist für mich ein ganz wesentliches Element der Geldanlage, allerdings nicht der Zinsen wegen. Man hat es genau dann zur Verfügung, wenn die Kurse stark einbrechen – sei es bei einer einzelnen Aktie oder des gesamten Marktes. Dann kann man bei Rücksetzern von 15%, 20% oder mehr günstig Aktien kaufen, die man sowieso schon immer besitzen wollte.
Worum es nicht geht, ist Market-Timimg. Es geht nicht darum, in einem Abschwung oder Crash am tiefsten Punkt sein Cash in Aktien zu verwandeln – das gelingt fast keinem. Es geht “nur” darum, günstige Aktie zu kaufen, sozusagen im Ausverkauf mit Sonderrabatt. Und wenn sie danach noch weitere 10% oder 20% fallen? Nun, dennoch hat man sie günstiger als vorher möglich eingekauft, zu einem Kurs, der einem fair erschien (am besten aufgrund einer fundierten Bewertung).
Von einer starren Quote, wie Du sie skizziert hast, halte ich nichts. 15% bis 20% sollte man schon irgendwie immer als Cash vorhalten, aber wenn der Ausverkauf startet, dann ist es sinnvoll, die Cashquote runterzufahren. Und wenn man solide Unternehmen mit attraktiver Dividendenausschüttung kauft, dann steigert man ja seinen Cashflow und bekommt schnell(er) wieder Cash aufs Konto zurück.
Ich habe meine Überlegungen vor einiger Zeit mal ausführlich unter dem Titel “Liquidität bringt langfristig die Rendite!” dargestellt.
Ich gehe da ganz nach Graham vor – immer mindestens 25%, maximal 75% je nach Marktpreise. Im Frühjahr habe ich begonnen auf knapp 25% Aktienanteil zu reduzieren und fühle mich sauwohl damit.
Der Crash kann kommen. Und nein, das war es noch nicht. Also Pulver trocken halten und gestaffelt reingehen. Den Tiefpunkt erwischt man eh nicht.