Europcar – Börsengang für Dumme

Zunächst die Fakten zu dem am 15.06. offiziell veröffentlichten Plan zum Börsengang von Europcar, Europas größtem Autovermieter:

  • Preisspanne liegt bei 11,50 – 15 € pro Aktie
  • Es sollen 41,3 Mio neue Aktien als Kapitalerhöhung ausgegeben werden
  • Nettomittelzufluss für Europcar würde also bei 441 bis 570 Mio € liegen
  • Aus dem auf 104 Mio € eingeteilten Grundkapital will der bisherige Mehrheitseigner Eurazeo 33 Mio Aktien verkaufen, mit Mehrzuteilungsoption sogar 44 Mio Aktien
  • Eurazeo würde demnach Einnahmen von 380 – 660 Mio € Brutto (vll 350- 620 Mio Netto) erzielen
  • Nach dem Börsengang gäbe es 145 Mio Aktien, was einem Börsenwert (bei angegebener Preisspanne) von 1,67 Mrd € bis 2,17 Mrd € entspricht
  • Der Anteil von Eurazeo an Europcar sinkt auf 36-42%
  • Eurazeo bewertet damit seinen eigenen Anteil auf 1 – 1,4 Milliarden € (bei einem Eigenkapital der Gesellschaft von unter 100 Mio € …)
  • ab 2017 sollen 30 % des Nettogewinns als Dividende ausgeschüttet werden (falls es einen gibt… haha)

Zur Bewertung eines Börsengangs braucht man natürlich auch die Geschäftszahlen des Unternehmens. Als Sixt-Aktionär sind diese auch der Grund gewesen, warum ich überhaupt diesen Börsengang interessant gefunden habe – denn bisher wurden diese nicht im Detail kommuniziert. Also:

Zahlen Europcar in Mio € 2012 2013 2014 Q1 2015
Umsatz 1936 1903 1979 414
“operativer Gewinn” 141 174 138 29
Nettoergebnis -111 -63 -112 -69
Goodwill+Imm. Vermögenswerte 1201 1179 1171
Eigenkapital 345 291 158 99
gesamte Verbindlichkeiten 3430 3377 3788 4135

Tjaaaa, denkt ihr gerade auch was ich beim Anblick dieser Zahlen gedacht habe? Das war bei mir in etwa “Wie kann man ein Unternehmen kurz vor der Pleite mit 1,7 bis 2,2 Mrd Euro bewerten? Und erwarten dass einem das irgendjemand noch abkauft?”

Fillialen von Hertz, Sixt und Europcar nebeneinander im Berliner Hauptbahnhof
Fillialen von Hertz, Sixt und Europcar nebeneinander im Berliner Hauptbahnhof

Die Zahlen in der Pressemitteilung sehen natürlich schöner aus und blenden ein bisschen. Da wird das EBITDA verwendet, und zusätzlich Restrukturierungskosten herausgerechnet, um auf ein passables Operatives Ergebnis zu kommen. Leider ist der Unterschied zwischen EBITDA und Nettogewinn gerade in der Autovermietung riesig. Wenn man sich die Eigenkapitalentwicklung anschaut, und dazu bedenkt dass dort ein erhebliche Anteil an Goodwill und immateriellen Vermögenswerten verborgen ist, dann ist auch verständlich warum Eurazeo jetzt den Börsengang forciert: Andernfalls müssten sie ihre Investition komplett abschreiben oder selbst das nötige Geld nachschießen. Kurz gesagt: Ohne Goodwill gerechnet arbeitet Europcar schon mit negativem Eigenkapital und verliert weiter Geld. Die Zinsen sind zurecht extrem hoch. Ich würde mich nicht wundern, wenn Banken angesichts dieser Entwicklung zunehmend vorsichtig werden, spätestens wenn sich eine Zinswende in Europa anbahnen sollte. Wenn Europcar zu diesem Zeitpunkt nicht wieder Gewinne macht, könnte schnell eine Insolvenz oder eine Umschuldung zu Lasten der Aktionäre im Raum stehen. Oder man ist gezwungen erfolgreiche Teile abzuspalten um an Geld zu kommen, zum Beispiel den Anteil am expandierenden Carsharing-Anbieter Car2Go.

Ein Wagen des Europcar- oint Ventures Car2Go in Berlin
Ein Wagen des Europcar- oint Ventures Car2Go in Berlin

Die genaue Betrachtung der Zahlen zeigt zwar, dass allmählich Kosten eingespart werden – durch Restrukturierungsaufwendungen bleibt unter dem Strich aber trotzdem nichts. Außerdem könnte es durchaus sein, dass hier ein paar Kosten in die Restrukturierungskosten abgezweigt wurden um einen Erfolg des Sparprogramms vorzuweisen. In der Risikoanalyse wird auch explizit der starke Wettbewerb, der auch oft über den Preis geführt werde, hervorgehoben. Bei Sixt habe ich darüber noch kein Gejammer gehört…   Alles in allem habe ich bei Europcar den Eindruck, dass der bisherige Eigentümer nicht mehr bereit ist mehr Geld nachzuschießen, ohne Geld Europcar aber in absehbarer Zeit insolvent werden würde. Folglich sucht er nach dummen Geld, um zumindest einen Teil seiner Investition zu retten. Dazu wird auch noch Sand in die Augen der Anleger gestreut mit Aussagen zu 30% Dividende vom Nettogewinn – ohne Nettogewinn ist das gar nichts. Oder vielleicht viel eher bei den Verlusten eine jährliche Kapitalerhöhung 😀

Fazit

Europcar macht permanent heftige Verluste, obwohl der Gesamtmarkt stabil ist. Daher muss man die Aktie eigentlich als Turnaround-Spekulation bewerten. Turnaround-Kandidaten, auch welche die schon weiter sind als Europcar, gibt es normalerweise serhr viel billiger an der Börse. Selbst spekulative Börsengänge wie Zalando, bei denen die Entwicklung kaum absehbar ist, aber Gewinne in der Zukunft gut möglich, gab es zuletzt etliche.  Europcar müsste gigantische Fortschritte machen, um nur halb so viel Gewinn wie Sixt oder Hertz zu erzielen – vergleicht mal die Zahlen in meinem Sixt-Artikel. Dass sie sich dann vom Börsenwert her gleichauf mit Sixt sehen, ist unverständlich. Mich erinnert es an Praktiker, die angesichts der schlechten Lage an die Börse gebracht wurden, dann ich noch ein paar Jahre durchgewurstelt haben – und am Ende gabs auf die Aktien nicht nur 20% Minus. ALSO FINGER WEG!

Als Aktionär von Sixt (die ich ja schon oft genug zum Vergleich erwähnt habe) sehe ich in den Zahlen von Europcar trotzdem etwas positives: Selbst wenn sich genug dummes Geld findet, Europcar wird das nicht lange durchhalten. Es wird mindestens ein schmerzhaftes Sparprogramm nötig sein, oder die Preise müssen erhöht werden oder sogar Geschäftsbereiche aufgegeben werden. Sixt würde von einer solchen Marktbereinigung und Konsolidierung klar profitieren, zumal sie gerade international auf Angriff schalten. Meine Investmentthese zu Sixt bekräftigt sich also nochmal, zumal die Rekorddividende zu meinem Einstiegskurs schönen 5% entspricht. Da ignoriert man auch gerne die momentanen Kurskorrekturen.

Sooo eine Dividende hat wohl weiter nur eine Autovermietung in Europa

 

8 Gedanken zu „Europcar – Börsengang für Dumme

  1. Sehr informativer Artikel der hier verfasst worden ist. Eine guter Tipp um die Augen offen zu halten hinsichtlich dieser Aktie.
    Vielen Dank.

  2. Ich bin zufällig – auf Grund des Smeil-Awards – auf Deinen Blog aufmerksam geworden.

    Zum Glück habe ich noch nicht abgestimmt..
    Dein Beitrag hat mir super gefallen. Sehr informativ und scheinbar auch objektiv.
    Gefällt mir! Ich werde Dich mal eben beim Award voten.

    Beste Grüße und weiter so!
    Manuel

  3. Kaum Umsatzwachstum, in den letzten 3 Jahren ein negatives Nettoergebnis, abnehmendes Eigenkapitel bei gleichzeitig wachsenden Verbindlichkeiten – das sind gleich mehrere Punkte die nicht unbedingt für die Investition in Europcar sprechen. Interessant wird es dann wohl erst 2017 wenn eine Dividende gezahlt werden soll – und diese auch mit einen positiven Nettoergebnis hinterlegt ist.

    1. Um ehrlich zu sein halte ich das mit der Dividende für ein Ablenkungsmanöver – vorerst ist Europcar einfach nicht Dividendenfähig, und wenn sie die Dividende nicht über eine Kapitalerhöhung finanzieren wollen wird eher keine geben. Wie gesagt, ich kann mir eine Entwicklung wie bei Praktiker am Ende gut vorstellen…

  4. Wie schätzt du Europcar heute ein, nachdem man den High Yield Bond dank der Kapitalerhöhung ablösen konnte?
    Umsatz und EBIT sind ja 2015 ca. gleich zu Sixt. Neben den a.o. Ergebnis belasten höhere Steuer in Frankreich (wohl ein dauerhafter Nachteil) und vor allem das Finanzergebnis. Dies war eine Katastrophe bei Europcar, aber sollte sich 2016 ändern.
    Was macht Sixt in deinen Augen besser? Flottenmanagement hat man bei Europcar identisch zu Sixt aufgebaut, da haben aus meiner Sicht avis und Hertz den größten Nachteil. Das Produkt/Dienstleistung ist eigentlich identisch deshalb ja auch Preiswettkampft. Bleibt noch die Werbung, die bei Sixt definitiv gut ist. Aber ist Europcar nicht der stärkste Wettbewerber mit Platz 2 in DE und Platz 1 in Europa?
    Interessant finde ich das nach dem IPO der Kurs 25% verloren hat. Ist die IPO Bewertung wirklich vollständig daneben gewesen und nur eine Turnaroundspekulation?

    1. Hi Till!

      Ja ich halte Sixt nach wie vor für WESENTLICH stärker positioniert als Europcar. Die Finanzen sind nicht das einzige Problem, ich sehe noch eine ganze Reihe anderer Faktoren.

      Zunächst: ich finde die Zahlen von Europcar schwer zu interpretieren, weil da viel von “Adjusted EBITDA” und solchen Sachen geschrieben wird. Auf 9-Monatsbasis sind die Zahlen ähnlich, aber ich rechne eher damit, dass insgesamt Sixt auch beim EBIT die Nase vorn hat. Bei Europcar kam fast der gesamte operative 9-Monatsgewinn aus dem starken 3. (Sommerurlaubs)quartal, daher denke ich dass es auch wieder einen stärkeren Einbruch danach geben könnte. Das könnte zum Beispiel am geografischen Mix liegen, da Europcar mehr Marktanteile im Mittelmeerraum hat und weniger in Deutschland. Aufs Gesamtjahr könnte also schon diese Behauptung sich als falsch herausstellen. Eine andere geografische Zusammensetzung oder aber bessere Flottensteuerung (um die Fahrzeugzahl dem Saisonverlauf anzupassen) könnten schon einen gewissen Vorteil für Sixt ausmachen. Rechnet man die höhere Bilanzsumme von Europcar und das vermutlich wieder schlechtere Ergebnis in Q4 zusammen, dürfte auch ohne Zinsen der RoA bei Sixt wesentlich besser sein in 2015 als bei Europcar.

      Es ist zudem zu bedenken, dass Sixt im Moment massiv in den Aufbau neuer Stationen in den Auslandsmärkten, v.a. USA investiert und da auch die Werbeausgaben hochgefahren hat. Europcar hätte solche Ausgaben wahrscheinlich “Adjusted” , bei Sixt werden sie vermutlich in den nächsten Jahren für nachhaltiges Wachstum und für höhere Gewinne sorgen.
      Noch ist Europcar zwar der Branchenprimus in Europa, allerdings gehe ich davon aus dass Sixt bald überholen wird. Sixt wuchs Umsatzmäßig im 3. Quartal um 22 %, Europcar nur um 7%. Sixt gewinnt schon seit Jahren kontinuierlich Marktanteile, ohne dabei aber an Profitabilität einzubüßen. Alleine schon von den Wachstumsraten her müsste Sixt wesentlich höher als Europcar bewertet werden.
      Dann hat Sixt eine bessere Bilanz (immer noch) – mit einer Eigenkapitalquote von zwischen 20% und 30%. Zieht man Goodwill und immaterielle Vermögen ab hat Europcar auch nach dem Börsengang noch ein deutlich negatives Eigenkapital. Daher braucht Europcar einfach auch mehr Fermdkapital und wird – auch bei niedrigen Zinsen – höhere Finanzierungskosten haben. Weißt du wie viel die Refinanzierung im Jahr etwa bringen sollte? Unter dem Strich zählt ja immer noch der Gewinn. Nimmt man den Q3-Vergleich, könnte man auf 100 Mio € im Jahr kommen dazu vielleicht 50 Mio an Restrukturierungskosten die wegfallen. 2014 war der Nettogewinn bei -112 Mio, rechnen wir großzügig eine Verbesserung der Effizienz mit ein würde ich nicht mehr als 50 Mio € Netto für den mittelfristigen Jahresgewinn bei Europcar schätzen, wenns gut läuft vielleicht auch 70-80 Mio – es könnte aber auch anders kommen.
      Im Fall einer Zinswende wird aber Europcar wieder durch die hohe Verschuldung die Luft abgedreht. Eurazeo könnte weiter an seinem Exit arbeiten und damit Verkaufsdruck bei den Aktien auslösen. Europcar kostet im Moment 1,3 Mrd. Sixt 1,7 Mrd. Berechnet man den Enterprise Value um Goodwill bereinigt, dann ist Sixt sogar billiger als Europcar.

      Zu der Aktienentwicklung: Als Europcar an die Börse ging stand der Dax bei 11500, jetzt bei 9000. Die Aktie hat sich also im Prinzip Marktkonform entwickelt, Sixt ist in der Zeit von knapp 50€ auf 38€ zurückgefallen. Relativ gesehen hat sich an der Bewertung also nicht viel geändert. Europcar müsste m.E. eine Mrd € frisches Eigenkapital bekommen, um eine gleiche Bewertung wie Sixt zu rechtfertigen.

    2. Ach noch etwas: Europcar gibt ständig neue Aktien aus (monatlich über 20000 glaub ich) , während Sixt das nicht macht. Das erscheint zwar nicht so wahnsinnig viel, aber auf Dauer frisst es Aktionärsvermögen. Und ich mag das nicht…

  5. Vielen Dank für die ausführliche und gute Rückmeldung.
    Ich stimme dir größtenteils zu, vorallem was das Adjustieren und das Interpretieren betrifft. In der Hinsicht ist Sixt ehrlicher und wesentlich besser zu bewerten. Auch die Saisonalität, die du ansprichst, ist signifikant. Die Flottensteuerung soll sich bei Europcar laut Mng. verbesseren, aber der Beweis dafür ist noch nicht geliefert.
    Interessant ist der Auslandsaufbau, den du bei Sixt ansprichts. Den habe ich bei Sixt noch nicht richtig eingeordnet.
    Meine Einschätzung des Nettoergebnis fällt ähnlich deiner aus. Die Zinsbelastung von Europcar von derzeit ca. 100 Mio. EUR fällt vmtl. auf 35-40 Mio. EUR, also ein Nettogewinnzuwachs von ca. 60 Mio. EUR. Das a.o. Ergebnis war 2014 270 Mio. und 2015 bisher 210 Mio. EUR (wird vermutlich ähnlich 2014). Bei Sixt übrigens auch jährlich ca. 40-50 Mio. EUR. Gehen wir bei Europcar mal davon aus, dass das Mng. mehr a.o. Ergebnis finde wird, würde ich den Nettozugewinn hier 100-150 Mio. EUR sehen. Macht beim EBIT von voraussichtlich 210 Mio. EUR 2015 minus 40 Mio. EUR Zinsen minus 100 Mio. EUR a.o. Ergebnis und 30% Steuern ein bereinigtes netto Ergebnis von 50 Mio. EUR.
    Schlussfolgerlich erscheint mir Sixt auch als die bessere und günstigere Alternative.

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