Folgendes kleines Rätsel der New York Times hatte einer meiner Kommilitonen neulich bei Facebook geteilt. Es ist wirklich großartig, und die Erklärung dazu noch viel besser (zum angeben: ich habe tatsächlich die richtige Lösung gefunden!).
Deshalb möchte ich es mit euch teilen: versucht euer Glück, bevor ihr den Rest des Artikels lest!
Einfaches Zahlenrätsel (Englischsprachig)
Für Leser ohne Englischkenntnisse: Es gibt die Folge 2 4 8 vorgegeben, die einer bestimmten Regel folgt. Weiter gibt es unten drei Felder, in denen man eine mögliche eigene Theorie so oft man will testen kann indem man 3 Zahlen eingibt und überprüft. Wenn man sich sicher ist, schreibt man die Antwort in das Feld.
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Und? Alles richtig gemacht? Was war die Antwort? Genau: korrektes Ergebnis war, dass die drei Zahlen streng monoton steigend sind. Egal ob man 1 16 17,2 oder -5 15 5555555 eingibt – es kommt ein ja. Gibt man dagegen etwas wie 1 1 2 ein, kommt zwar nicht die Feuerwehr aber immerhin ein Fehler und das Feld wird rot statt grün.
Der interessante Punkt ist: wir suchen nach komplizierteren Mustern. Die meisten kommen nicht auf diese einfache Lösung, sondern denken die Folge müsste durch Verdoppelung der Zahlen gekennzeichnet sein. (Ehrlich gesagt: Das dachte ich auch zuerst.) Ich habe genau das bei drei Zahlenfolgen ausprobiert, jedes mal richtig.
Spätestens an diesem Punkt sind die meisten Menschen überzeugt, ja wollen überzeugt sein, dass sie richtig liegen. Laut dem Artikel geben 78% der Menschen die Antwort, ohne ein einziges mal ein Nein gehört zu haben. Die Regel könnte auch sein, dass keine der Zahlen 13 heißt oder die Zahlen kleiner sind als 20000000. Aber trotzdem testen die meisten Leute nicht, ob das der Fall ist. Nur 9% haben 3 Neins bekommen bevor sie antworten.
Confirmation Bias / Bestätigungsfehler
Die Psychologie kennt diesen Effekt als Bestätigungsfehler oder im englischen Confirmation Bias. Wir wollen Bestätigung unserer Annahmen, wir wollen ein ja hören. Außerdem sind wir oft faul und suchen nach einem möglichst einfachen und schnellen Weg. In vielen Entscheidungssituationen ist es aber viel besser, wenn wir stattdessen nach unseren Fehlern suchen, und nach den Punkten, die schief gehen könnten. Bei einem Auto wollen wir ja auch, dass es einen Crashtest bestanden hat bevor wir damit losfahren. Die Ingenieure werden also gezwungen nach Schwachstellen im schlimmsten Fall zu suchen und diese zu minimieren.
An der Börse gibt es solche Zwänge nicht, jeder kann sein eigenes Geld verlieren wie er will (wenn er denn spielen will oder langfristig dumm genug). Egal ob Kleinanleger mit Pusher-Börsenbriefen in betrügerische Aktien wie Cashcloud (während ich das hier schreibe – am 3.7.2015 – gerade vom Handel zwangsweise ausgesetzt, zuvor mit aggressiven Werbemethoden und ständig erhöhten utopischen Kurszielen trotz leerer Kassen und Pleitegefahr hochgeschossen) oder ob sie wie bis vor kurzem gerade die chinesischen Anleger in die Aktienblase hinein kaufen (30% Kursrutsch in den vergangenen Wochen) – trotz der offensichtlichen Gefahren haben hier Anleger investiert. Vermutlich genau deshalb, weil sie ihre These bestätigt sehen wollten und nicht gegengecheckt haben, was im schlechtesten Fall passieren könnte.
Genau das ist aber entscheidend! Ding sind immer im Fluss und verändern sich. Natürlich ist es unbequem, und natürlich können wir nicht immer jede Entscheidung auf mögliche Fehler abklopfen. Und da es fast immer einen schlechten Fall gibt den man entdeckt, muss man lernen auch in Anbetracht des Risikos zu investieren. Aus der Ignoranz aller Risiken aber entsteht die Gefahr, dass man selbst bei Eintreten des Risikos noch blind dafür bleibt und seiner These folgt. An der Börse heißt das: man lässt Verluste laufen und redet sich ein sie wären temporär, man wäre ja ein langfristiger Anlger und in 100 Jahren… Oh warte, in 100 Jahren bin ich wahrscheinlich tot, aber vielleicht sehen meine Enkel nochmal einen guten Kurs der Aktie…
Was kann man dagegen tun?
Vermutlich gibt es keine allgemein gültige Anwort, die für jeden Investor gleich gut geeignet ist. Ich halte es für eine gute Idee, sich verschiedene mögliche Szenarien, insbesondere auch schlechte, zu überlegen und aufzuschreiben. Anschließend kann man dann über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der einzelnen Szenarien nachdenken. In dem oben verlinkten Artikel wird das Beispiel genannt, dass man sich vorstellen soll die Firma wäre in der Zukunft Pleite. Dann soll man versuchen, plausibel zu erklären wie es dazu kommen konnte. Dadurch ist man gezwungen nach realistischen Gefahren zu suchen – und entdeckt sie vielleicht erst.
Für mich ist es auch der Blog, der mir hilft diszipliniert zu bleiben und nach Fehlern zu suchen. Falls ich keine schweren Fehler beim Unternehmen finde und dennoch welche vorhanden sind, dann kann ich immer noch hoffen dass irgendeinem interessierten Leser dieser Fehler auffällt und er mir das in einem Komentar mitteilt. Ist ja auch durchaus schon geschehen 🙂
Deshalb: vielen Dank an alle Leser die hier vorbeischauen, kommentieren und sich Gedanken machen. Und falls einer von euch einen eigenen Blog eröffnen will – ich geb gern Unterstützung und Tipps. Denn letztendlich ist eine vor allem eine breite Vielfalt an Meinungen und Argumenten eine wirkungsvolle Waffe gegen den Bestätigungsfehler.
Confirmation Bias ist ein wichtiges Thema, nicht nur an der Börse. Neulich gab es mal wieder einen interessanten Artikel dazu in Bezug auf soziale Netzwerke und unsere Wahrnehmung. Man ist ja üblicherweise eher mit Leuten verlinkt, die man mag oder die einem gewissen ähnlichen soziokulturellen Umfeld entstammen und/oder die in ähnlichen Gegenden/Branchen wohnen und arbeiten. Das führt dann dazu, dass diese Leute verstärkt ähnliche Hobbys haben, ähnliche Zeitungen lesen und auf Nachrichten ähnlich reagieren – was man als Nutzer des sozialen Netzwerks dann ja wiederum gespiegelt vorgesetzt bekommt. Daraus leiten wir dann ab, dass “alle” dieser Meinung/Position anhängen, dabei handelt es sich nur um den von uns zuvor selektierten Kreis von Personen, von dem man annehmen kann, dass er ähnlich gestrickt ist wie man selbst. Und äußert sich doch mal jemand abweichend, runzelt man schnell die Stirn ob dieses “Abweichlers” und hakt das schnell als verschrobene Einzelmeinung ab. “Elfenbeinturmdenken” ist eben kein Problem, das nur Politiker oder Superreiche oder AG-Vorstände haben, die in ihrer eigenen Parallelwelt leben und von der Realität nichts mitbekommen. Wir alle schaffen uns unsere eigenen gefilterten Wahrnehmungskreise. Und das betrifft auch die Börse.
Wenn ich über Aktien recherchiere oder mich über solche auf dem Laufenden halte, in denen ich bereits investiert bin, dann lese ich auch mal in Online-Foren mit. Wie bei Wallstreet-online.de. Das trifft man auf Trolle, die nur leere Phrasen ins Forum schleudern, die ignoriere ich. Dann gibt es die “Basher”, die aus welchem Grund auch immer, nur auf eine Aktie eindreschen und sie schlecht reden wollen. Oder die “Pusher”, die kritkbefreit alles schönreden. Ich merke jedoch, dass ich diejenigen, die meine grundsätzliche Richtung teilen, gutmütiger ignoriere als diejenigen, die die andere Position vertreten (wenn man das denn so nenne kann bei Phrasendreschern). Was ich in den Foren wirklich suche, sind Informationen und Meinungen, die mich weiterbringen. Also neue Fakten und substanzielle Bewertungen von Situationen, Kennzahlen, Berichten oder Entwicklungen. Und zwar nicht nur solche, die mich in meiner Meinung bestärken, sondern insbesondere solche, die mir Probleme aufzeigen oder Risiken. Nicht, weil ich gerne leide und mich quäle, sondern weil ich mich mit diesen dann auseinandersetzen muss, sie verstehen und für mich bewerten muss. Und ab und zu komme ich dann zu dem Ergebnis, dass ich hier etwas wichtiges übersehen habe und vielleicht ändere ich dann auch meine Einschätzung zu dem Unternehmen und seiner Aktie. Das ist für mich ein aktiver Beitrag gegen meine eigene Confirmation Bias. Denn selbst bei steigenden Kursen einer Aktie muss dies ja nicht bedeuten, dass man richtig liegt mit seiner Einschätzung. Es heißt nur, dass gerade mehr Leute die Aktie kaufen, als sie verkaufen wollen. Doch wenn die Fakten gegen die Aktie sprechen, wird sie davon irgendwann eingeholt und stürzt ab. Und man sollte doch schon vorher zu den richtigen eigenen Schlüssen gekommen sein. Und das gelingt besser mit Kritik als mit Zuspruch. Daher sollte man Kritik als Denkanstoß verstehen und positiv aufnehmen.
Feiner Artikel! Trifft voll meinen Confirmation Bias. Damit meine ich, ich lese gerne, was ich ohnehin schon weiß oder meine. Exakt dasselbe findet man in den vielen Blogs über Dividenden Aktien oder passives Investieren. Alle bestätigen sich gegenseitig ihre Meinungen, was einen bekanntlich nicht viel weiter bringt.
Ich übe damit gewissermaßen Metakritik.
Zum Gegenteil muss man sich geradezu zwingen. Gottseidank bin ich einigermaßen gebildet und habe Popper gelesen. Der sagte ein seriöser Wissenschaftler müsse versuchen seine Theorie zu widerlegen und nicht etwa zu bestätigen. Letzteres ist das A und O der erfolgreichen Aktienanlage. Um zu deinem Beispiel zurück zu kommen: Ein einfacher Test, ob eine beliebige Zahlenreihe nicht auch funktionierte, hätte bereits geholfen.
Bedeutet: Wir Aktienanleger müssen zusammenhalten, insbesondere indem wir und gegenseitig kritisieren und versuchen unsere Denkfehler zu finden. Leider ärgert einen Kritik zuerst immer, aber das muss man einfach ausschalten.
Ein sehr schöner Artikel. Ich habe mir dazu auch schon Gedanken gemacht und für aktive Anleger, egal ob dem Value-Investing nahestehend oder nicht, sollte es aus diesem Grund ab und zu Praxis sein, sich mit Charttechnik oder vollkommen passiver / quantitativen Anlagestrategien zu beschäftigen – eben über den Tellerrand zu schauen und nicht im eigenen Saft zu schmoren. Sonst liest man nur noch dort, wo man die eigene Meinung bestätigt findet. Anbei der Link zu meinem Artikel und ich freue mich wie Tobias über Kommentare, Verlinkungen und Diskussion:
http://www.covacoro.de/2015/05/08/schaue-bewu%C3%9Ft-%C3%BCber-den-tellerrand/