Polytec Holding – Aktie mit Nachholpotential

Die österreichische Polytec würden die meisten wohl kaum in den Bereich Value- oder Qualitätsaktien einordnen. Der Grund ist schnell klar: Weder notiert die Aktie klar unter Buchwert oder glänzt anderweitig in der Bilanz, noch ist das Unternehmen durch einen fetten Burggraben von der Konkurrenz geschützt. Polytec ist nämlich ein Zulieferer der Autoindustrie und als solcher dem Preisdruck der Konzerne genauso wie den starken Zyklen der Automobilbranche ausgeliefert. Durch das sehr niedrige KGV ist Polytec aber schon letztes Jahr auf meine erweiterte Beobachtungsliste gerutscht.

Mein Interesse an der Firma haben folgende Daten geweckt:

  • Marktkapitalisierung: 175 Mio € bei über 600 Mio € Umsatz
  • Aktienrückkäufe
  • Eigenkapitalanstieg: 58 Mio € 2009 -> 140 Mio € 2014, dazu gute Dividenden
  • guter Track-Rekord bei Übernahmen
  • Gewinn 2014 von 13,4 Mio€ , im Schnitt 2010-2014 aber von über 20 Mio €
  • Im ersten Quartal 2015 auf Jahressicht verdoppeltes Ergebnis: 0,26€/Aktie
  • Bei Fortschreibung ist über 1€/Aktie als Gewinn möglich, bei einem Kurs unter 8 €
  • Nachhaltiger Ergebnisanstieg durch größeren Hebel (ausgeweitete Bilanzsumme v.a. wegen Kauf der selbst genutzten Immobilien) ist von der Börse ignoriert worden
  • Unternehmen ist familiengeführt und sollte daher entsprechend auf langfristigen Erfolg ausgerichtet sein
  • Bisher gute Ergebnisse in einer recht schwierigen Branche erzielt

Meine Investmentthese kann ich hier auch schon einmal bekannt geben: Ich bin der Überzeugung, dass die Börse diese Aktie noch nicht entdeckt hat und die inzwischen besser werdenden Zahlen zu einem Anstieg der Bewertung führen sollten, sobald das nachgeholt wird. Auch als langfristige Investition kommt Polytec durchaus für mich in Frage, es gehört prinzipiell aber in die Kategorie “Nachholer”. Das ist die gedankliche Kategorie wo ich (wie wie in den Analysen von Steico und Müller Logistik) darauf setze, dass die bereits absehbaren Verbesserungen der Gewinne vom Markt erst später eingepreist werden, da die Aktien zu wenig Beachtung finden.

Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell von Polytec ist solide Industrie: Man fertigt Teile für die großen Automobilfirmen, im Fall von Polytec sind das verschiedene Teile aus Kunststoff. In diesen Teile steckt auch eine gewisse Entwicklungsarbeit, allerdings wahrscheinlich nicht genug um einen klassischen Burggraben darzustellen. Die Verträge mit den Autobauern sind dabei so gestaltet, dass diese ihre “Abrufe” kurzfristig ändern können. Eine Krise auf dem Automarkt schlägt also direkt auch auf die Umsatzzahlen von Polytec durch, die Firma ist dadurch ein stark zyklischer Wert. Da das Geschäft keineswegs einmalig ist, muss man operativ sehr effizient sein, um ordentliche Gewinne zu erzielen. Auf der anderen Seite war es Polytec wegen der renditeschwachen Branche oft möglich Übernahmen zum Substanzwert oder noch darunter durchzuführen, so dass kaum Goodwill entstanden ist.

Zu bemerken ist in dem Zusammenhang, dass Größe hier durchaus Vorteile bietet. Der Verkauf eines großen Teilbereichs (Interieur) in 2011 hatte den Grund, dass man aufgrund mangelnder Größe nicht überall liefern konnte und deshalb nie richtig profitabel werden konnte in dem Bereich. Polytec hat zudem bei Übernehmen immer wieder gezeigt, Werke profitabel machen zu können die Probleme haben. Es gab allerdings mit Peguform in der Vergangenheit auch eine grandios gescheiterte Übernahme zu Zeiten der Finanzkrise. Dieser wurde mit Verlust zum größten Teil wieder abgestoßen, da die Bankenfinanzierung plötzlich doch wackelte während ABsatzzahlen einbrachen.

Aufteilung

Geografisch ist Polytec vor allem in Zentraleuropa vertreten, das ist vor allem Deutschland, Österreich, Niederlande und angrenzende Länder, zudem wird in China ein Werk gebaut und es gibt zwei Standorte in Nordamerika (Toronto/Detroit).

Polytec strukturiert sich selbst in 4 Geschäftsbereiche:

  • Plastics (Plastik-Spritzgussteile für Motorraum, Interieur oder sonstiges in Großserie)
  • Composites (Teile die nicht nur Plastik, sondern z.B. auch Karbon oder andere Fasern enthalten, ebenfalls vor allem Auto und LKW)
  • Car Styling (Ersatzteile, Zubehör, Kleinserien)
  • Kunststoffteile aus Polyurethan für andere Industrien

In der Segmentberichterstattung wird der Umsatz allerdings nur in PKW (316 Mio), Nutzfahrzeuge (123 Mio) und Non-Automotive (52 Mio) unterteilt. Der alles entscheidende Faktor ist also tatsächlich die Automobilindustrie.

Zahlen

Zahlen sind bei einer Analyse nach wie vor der entscheidende Faktor um zu bewerten, wie günstig oder teuer eine Aktie gerade ist. Schauen wir uns also wie immer die letzten Jahre einmal an:

Entwicklung wichtiger Kennzahlen der Polytec Group
Entwicklung wichtiger Kennzahlen der Polytec Group

Was fällt hier schon in der Grafik auf? Vor allem der Ausreißer in 2008, als man den Konkurrenten Peguform übernahm. Aber wegen Problemen mit der Finanzierung, die vor allem über Banken erfolgt war, musste man Peguform weitgehend weiter verkaufen und blieb auf Verlusten sitzen.
Das zweite ist in der jüngsten Vergangenheit zu sehen, und der schon erwähnte Grund für mein Interesse: Die Bilanzsumme wurde zum ersten mal seit langem wieder klar ausgeweitet, der Umsatz- und Ergebnisanstieg wird aber erst in 2015/2016 voll sichtbar. Ansonsten gibt es einen recht stabilen, aber leicht rückläufigen Gewinn und einen entsprechenden Anstieg beim Eigenkapital zu beobachten.

Für Zahlenliebhaber noch die richtige Tabelle:

Jahr

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

Umsatz

491,3

476,6

481,6

657,4

770,1

607

1082

665

Operatives Ergebnis

20,6

21,4

27,7

42,6

27,2

-30,2

16,7

41

Jahresüberschuss

13,6

14,3

21,7

34,5

25

-90,5

1,8

37

Ausschüttungssumme

5,6

5,6

7,7

7,8

-

-

  

Eigenkapital

133,2

126

120,7

107,7

87,3

58,1

154,8

158,9

Verbindlichkeiten

279,7

135,9

126,1

143,6

221,2

270,6

866

286,2

Op Cash Flow

20,8

27,2

15,7

29,2

46

10,7

92,6

-7,6

Bilanzsumme

424

273,1

259,8

263,9

308,5

332,1

1021

445

Mitarbeiter

4162

3504

3390

4134

5184

5525

7295

4767

Eigenkapitalrendite

10,21%

11,35%

17,98%

32,03%

28,64%

-155,77%

1,16%

23,29%

Gesamtkapitalrendite

4,86%

7,84%

10,66%

16,14%

8,82%

-9,09%

1,64%

9,21%

Eigenkapitalquote

31,42%

46,14%

46,46%

40,81%

28,30%

17,49%

15,16%

35,71%

Man sieht: ein solides Industrieunternehmen in einer zyklischen Branche, aber ohne Burggraben oder ähnlich gelagerte Vorteile. Dennoch ist das Unternehmen profitabel und wachsend und könnte, so man es billig genug bekommt, eine Investition wert sein.

Bilanz:

Aktiva in Mio €:

Imm. Vermögen 1,5
Goodwill 19
Sachanlagen 196
langfr. Forderungen 3
Aktive Steuerabgrenzung 17
Vorräte 55,9
Ford. aus Lieferungen u.ä. 80,5
Forderungen aus Aufträgen 29,7
Verzinste Forderungen 12,8
Kassenbestand 53

Passiva in Mio €:

Eigenkapital: 150,4
langfr. Finanzschulden 147,1
Steuerrückstellungen 1,1
Pensionsrückstellungen 26,6
sonst. langfr. Rückstellungen 13,5
Verbindlichk. aus L&L 47,4
kurzfr. fällige Finanzschulden 24,2
Steuern 2
kurzfr. Rückstellungen 32,5
sonstige kurzfr. Verb. 23,2

Was ist hier auffällig bzw. noch zu sagen? Die Vermögenswerte bestehen zu einem großen Teil aus Sachanlagen, was im wesentlichen wiederum Immobilien sind. Erst vor kurzem wurde der Kauf eine ganzen Reihe von bisher gemieteten selbst genutzten Immobilien verkündet, um das 100-Mio€ Schuldscheindarlehen sinnvoll einzusetzen. Im Bericht ist bei dem Immobiliendeal von einer anfänglichen Rendite auf das eingesetzte Kapital von über 9%  die Rede. Einen hohen Wiederverkaufswert sollte man au solche Industrieimmobilien aber nicht ansetzen, so dass der Liquidationswert schon deutlich zu gering ist. Denoch ist mir das wesentlich lieber, als wenn die Bilanz vor Goodwill überquillt. Die Finanzschulden sind inzwischen recht hoch, so dass vermutlich erst einmal einige Jahre Schulden abgebaut werden, bevor der nächste Wachstumsschub kommt. Gleichzeitig ist genug Eigenkapital und Cashflow vorhanden, um auch kleinere Absatzkrisen gut zu überstehen. Besonders auffällig finde ich die Bilanz ansonsten nicht.

Führung

Ein wichtiges Thema bei solchen Firmen ist natürlich die Frage der kompetenten Leitung. Im Fall von Polytec liegt diese bei Friedrich Huemer, der ebenfalls mit über 25% der Aktien größter Aktionär ist.

Hier fallen zunächst Transaktionen zwischen anderen Huemer gehörenden Firmen und Polytec auf, wie der bereits erwähnte Immobiliendeal. Bei den Preisen und Konditionen konnte ich bisher aber keine Ausnutzung eines Interessenkonfliktes erkennen, im Gegenteil scheint alles für Polytec vorteilhaft zu sein. Während der Probleme in der Finanzkrise bürgte Huemer sogar mit seinem Privatvermögen für Polytec, ein Zeichen dass er die Firma nicht als sein Vermögensvermehrungsvehikel, sondern sein Lebenswerk sieht und an sich voranbringen will. Auch die Interviews die ich finden konnte, bestätigen das Bild eines kompetenten und soliden Unternehmers. Zugleich ist der Anteil des Streubesitzes an der Aktie groß genug um seine Macht nicht fürchten zu müssen. Auch die Übernahmen und damit die Kapitalallokation war bisher mit Ausnahme des Peguform-Geschäftes gelungen. Rechnet man die beispiellose Finanzkrise 2008 als Grund für das Peguform-Debakel ein, muss man hier Polytec sehr loben. Positiv ist außerdem, dass sich Huemer durchaus um den Aktienkurs Sorgen macht 🙂 wie in diesem Interview zu lesen.

Bei dem Thema Führung bekommt Polytec von mir ein gut bis sehr gut als Note. Vermutlich wird innerhalb der Familie der Staffelstab bald weitergegeben, dann kann man sehen ob der Sohn ähnlichen Erfolg haben wird – denn erfolgreich kann man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte durchaus nennen!

Aktuelles

Wie ich schon angemerkt habe, ist die Polytec-Aktie für mich eine Art Nachholspekulation. Deshalb will ich auch darauf eingehen, was die letzten Veränderungen innerhalb der Firma waren, und wie diese sich auswirken dürften.

Zunächst wurde im letzten Jahr ein Schuldscheindarlehen in Höhe von 100 Mio € zum Zinssatz von 2,15% (Durchschnitt) aufgenommen, mit einer Laufzeit von 5-7 Jahren. Dadurch hatte Polytec plötzlich eine Liquidität von 140 Mio €, die zu Investitionen einlud. Ursprünglich wollte man nur die Hälfte platzieren, aber die Nachfrage war angesichts des Anlagenotstandes in Europa so hoch dass man das Volumen schnell verdoppelte.

Als nächstes wurde von Voestalpine, eigentlich ja Stahlkonzern, deren Geschäftsbereich Plastics Solution mit zwei großen Autozuliefererwerken in den Niederlanden gekauft. Die Werke hatten zu dem Zeitpunkt einen Umsatz von 120 Mio € mit 700 Mitarbeitern erzielt, und passen offenbar sehr gut in die strategische Ausrichtung von Polytec. Der Kaufpreis in Bar betrug dabei 17,2 Mio €, bei einer Bilanzsumme von 70 Mio € und einem Buchwert von 18,1 Mio€. Angesichts vermutlicher Synergien und zu erwartender positiver Erträge der Werke erscheint mir das ein wirklich guter Kauf gewesen zu sein. Der Netto-Cashflow aus dem Erwerb (der ja auch die Barmittel der Firma enthielt) war sogar unter 10 Mio €.

Als zweites und größeres Projekt wurde im Februar die Polytec Immobilien Holding gekauft. Hier war der Netto-Wert wesentlich höher. Bar zahlte Polytec zwar nur knapp 30 Mio €, allerdings wurden die auf den Immobilien lastenden Verbindlichkeiten von 57 Mio € mit übernommen, was einem Gesamtpreis von etwa 87 Mio € entspricht.
Da man für den eigenen Geschäftsbetrieb die entsprechenden Immobilien bisher gemietet hatte, entfallen die entsprechenden Mietkosten und führen direkt zu höheren Gewinnen – das Management rechnet mit einem Anstieg von 8 Mio bei EBITDA und 5 Mio bei EBIT, dazu fallen die jährlichen Steigerungen der Miete weg. Ich gehe davon aus, dass die übenommenen Schulden noch höhere Zinssätze aufweisen als etwa das Schuldscheindarlehen, und nun zurückgeführt werden.

-> Kurzfassung: Polytec leiht sich 100 Mio für 2,2 Prozent, um das EBIT um 5 Mio€ zu erhöhen. Damit geht weniger als die Hälfte für Zinsen drauf, der Rest erhöht direkt den Überschuss von Polytec. In spätestens 10 Jahren hat man den Barkaufpreis von 30 Mio also wieder reingeholt, aber immer noch die Immobilien im Besitz.

Im ersten Quartal erzielte Polytec einen zum Vorjahr verdoppelten Gewinn von 0,26€ pro Aktie und um ein Drittel höheren Umsatz. Da wesentliche Treiber dieser Entwicklung die oben beschriebenen Investitionen sind, gehe ich davon aus, dass sich das ganze fortsetzt. Zusätzlich gab es operative Probleme, die mit Restrukturierung in einem Werk angegangen wurden, was zusätzlich zu einer deutlichen Margenverbesserung und zu einem weiteren Anstieg des Gewinns führen könnte.

Ein weiterer Treiber könnte eine weitere erfolgreiche Übernahme wie die in den Niederlanden sein. Polytec hat ja nach wie vor einen hohen Bestand an Barmitteln (über 50 Mio €), den man für günstige Gelegenheiten nutzen kann. Da ich von den bisherigen Übernahmen überzeugt bin und diesbezüglich Vertrauen in Herrn Huemer setze, würde ich auch dabei einen günstigen Preis erwarten, bei dem man im wesentlichen den Buchwert bezahlt und keine großen Goodwill-Anteile anhäuft.

Fazit und Ausblick

Polytec ist keine Firma, die automatisch immer Geld produziert, ein Buffet-Qualitätsunternehmen kann daraus also auch langfristig kaum werden. Wer reines Buy- and Hold betreiben will, sollte sich definitiv Unternehmen mit dauerhaft erhöhter Kapitalrendite suchen.

Gleichzeitig schaut der Aktienmarkt in der Regel stärker auf die dynamischen als auf die statischen Kennziffern, und die entwickeln sich bei Polytec extrem stark ohne dass die Aktie entsprechend reagiert. Eine reine Fortschreibung des Ergebnisses aus Q1 würde zu einem Gewinn von über 1€ je Aktie und damit zu einem KGV von unter 8 führen. Ich persönlich rechne langfristig mit gewissen Synergien und der Auswirkung der Restrukturierungs- und Sparmaßnahmen im Bereich Composites, so dass der Gewinn noch etwas weiter steigen könnte, ich halte 1,20€/Aktiefür 2015/2016 für eine realistische Zahl.

Die Dividendenrendite liegt (bei 0,25€) mit 3,2% sehr gut im Markt und weit über Staatsanleihenrenditen – und ein Aktienrückkaufprogramm kommt außerdem dazu. Die steigenden Gewinne lassen aber auch höhere Ausschüttungen in Zukunft zu, bei einem Euro je Aktie Gewinn könnte ich mir locker eine Dividende von 40 cent vorstellen. Auf den aktuellen Kurs ergäbe das eine Rendite von 5% bei einem wachsendem solidem Unternehmen.

Der Aktienkurs ist allerdings momentan (knapp unter 8 €) noch unter dem Hoch aus 2011, und die Firma mit 170 Mio € meines Erachtens auch langfristig nicht teuer.

Natürlich muss man hier immer wieder mit zyklischen Rückschlägen rechnen, wie es in der Natur der Automobilindustrie liegt. Diese könnten die Dividende auch schnell wieder drücken. Da Polytec aber fast nur in Europa produziert halte ich das kurzfristige Risiko für sehr gering – in Südeuropa beginnt sich der Absatz ja nach der Krise gerade erst wieder zu erholen, und Mitteleuropa mit Deutschland ist wirtschaftlich in hervorragender Verfassung. Folgende Szenarien kann ich mir gut vorstellen:

Umsatz/Gewinn/Div. 2014 2015 2016 2017 2018
pessimistisch 491/14/0,25 600/15/0,25 570/5/0,10 550/-10/0,10 580/10/0,10
realistisch 491/14/0,25 620/25/0,30 650/25/0,40 660/30/0,40 620/10/0,20
optimistisch 491/14/0,25 640/30/0,40 700/30/0,50 710/35/0,50 750/50/0,60

Dabei würde im ersten Szenario eine neue Krise (vielleicht aus China oder von den hochverschuldeten USA) die Wirtschaft und damit die Autoindustrie deutlich beeinträchtigen. Die Umsätze könnten dann bald wieder sinken und sogar Verluste anfallen, die Dividende könnte gekürzt werden.

Im zweiten Szenario, das ich für das wahrscheinlichste halte, rechne ich mit einem positiven operativen Geschäftsverlauf, leichten Effizienzsteigerungen durch die Größenvorteile und Wachstum durch Expansion in Auslandsmärkte oder einen kleinen Zukauf. Irgendwann sollte man aber realistischerweise auch mit der nächsten Rezession rechnen, in der die Gewinne fallen und Dividenden gesenkt werden.

Im optimistischen Szenario läuft die Autoindustrie rund, und außerdem schafft Polytec durch einen weiteren mittleren Zukauf oder Auslandsexpansion überdurchschnittlich zu wachsen und dabei gute Renditen einzufahren. Bei einer größeren Übernahme kann ich mir sogar gut vorstellen, dass Polytec bis 2020 auf einen Umsatz im Milliardenbereich kommt. Allerdings will ich ja auch noch Platz nach oben lassen 🙂

Aufgrund einer gut möglichen Dividendenrendite von 5% oder mehr halte ich die Aktie für günstig, vor allem im Vergleich zum Markt. Natürlich haben Autozulieferer strukturell wenig Chancen, großartige Überrenditen zu erwirtschaften. Sollte meine Idee insofern aufgehen, dass in kürzerer Zeit der Kurs anspringt und mir ein schönes Plus in Form einer Verdoppelung oder so beschert, wäre Polytec schnell auf der Verkaufsliste. Sollte es nicht so sein, rechne ich zumindest mit einigermaßen soliden Ergebnissen und einer Dividende, die über dem aktuellen Zinssatz liegt. Genauer: Ich stelle mir eine Eigenkapitalrendite von um die 10% langfristig vor, da ich die Firma für solide geführt halte. Was zum aktuellen Kurs immer noch einer Verzinsung auf den Kaufpreis von 8% entspräche – damit kann man leben.

Für das Wikifolio (das übrigens inzwischen investierbar ist) würde ich daher eine kleine Position eingehen und warte auf die Halbjahreszahlen und eine mögliche Prognoseanhebung. Privat bin ich voll investiert, so dass ich erst einen anderen Titel verkaufen müsste, auch hierfür will ich aber die Berichte abwarten. Die Frage wäre in dem Fall natürlich, ob nicht eine Aufstockung bei Hypoport oder IBM klüger wäre. Und letztlich natürlich auch: Ist es eine kluge Investition, wenn ich langfristig eigentlich nur durchschnittliche Renditen erwarte? Oder gibt es bessere Unternehmen mit niedrigen Kursen?

Ich bin auch gespannt auf eure Meinungen, kann mir gut vorstellen dass sie hier etwas kritischer ausfallen – also her damit!

Zum Blog: Es könnte sein, dass ich in den nächsten Wochen meinen Fokus etwas weniger auf den Blog lege und dann auch kaum Artikel veröffentliche (dafür an einer kleinen Serie arbeite) – in dem Fall nehmts mir nicht übel und geht mal an den Strand!

PS: Ich habe einen Nachtrag mit ein paar offenen Punkten verfasst: Nachtrag Polytec

 

10 Gedanken zu „Polytec Holding – Aktie mit Nachholpotential

  1. Hey Tobi,

    danke für den Hinweis auf die Polytec – cooler Artikel. Ich hatte sie mir vor ca eineinhalb Jahren mal angesehen und aus den Gründen, die Du in Deinem Artikel angeführt hast, wieder verworfen (kein Moat, “blöde” Branche, etc.). Den Immobiliendeal hab ich trotz meiner Ösi-Existenz irgendwie völlig übersehen. Scheint nicht uninteressant zu sein und der kürzlich gesteigerte Hebel dürfte wirklich bis dato vom Markt ignoriert worden sein. Gut ist auch, dass von dem Schuldscheindarlehen 2/3 fix verzinslich aufgenommen wurden. Das ist eine ähnliche Situation wie bei Do&Co vor eineinhalb Jahren (außer dass letztere einen Moat haben).

    1. JA, gibt es: wie ich bei aktuelles geschrieben habe wurden zwei Werke von Voestalpine übernommen (die den Umsatz um ein Drittel steigern, damit aber auch im Umlaufvermögen höheren Kapitaleinsatz fordern). Außerdem wurden die bisher gemieteten Immobilien an den Produktionsstätten gekauft (die Ausweitung ist der Grund, warum ich mir so sicher bin dass die Gewinne hier massiv steigen dürften). Das ganze wurde mit einem Darlehen über 100 Mio € zu gut 2% finanziert, deshalb der anstieg der Verbindlichkeiten

  2. Warum hat denn Voestalpine die Werke so billig abgegeben? Nächstenliebe wird es wohl nicht gewesen sein.

    Ein zyklischer Wert der seine Verschuldung enorm erhöht ist kein gutes Investment. Nach dem vielen billig-Geld wird die Weltwirtschaft jetzt erst mal weniger wachsen, oder eher schrumpfen. Das die Schulden dann schon nach 5-7 Jahren zurück gezahlt werden müssen (und bei der geringen EK Quote) ist keine gute Voraussetzung. In der nächsten Krise gerät das Unternehmen dann schnell in Schieflage.

    1. Prinzipiell würde ich dir zustimmen Marfir, dass eine stark steigende Verschuldung stets kritisch ist. In diesem Fall ist es aber so, dass ein wesentlicher Teil der Schulden in ein absolut unzyklisches Investment fließt, nämlich die selbst genutzten Immobilien. Dafür spart man die Miete ein, die ansonsten jedes Jahr noch weiter steigen würde. Ich habe nicht im Detail nachgerechnet wie viel es ausmacht, aber würde den 5 Mio EBIT vertrauen – bei 2 Mio € Zinsen und ein bisschen Steuern bleibt grob die Hälfte dann als Überschuss beim Unternehmen. Im ersten Quartal wurde der positive Effekt sogar mit 1,5 Mio€ auf das EBIT beziffert, könnte also sogar etwas mehr sein.

      Voestalpine wollte sich vermutlich einfach von einem Bereich trennen, der nicht zum Kerngeschäft gehört und gleichzeitig nicht die riesigen Renditen abwirft. Ich nehme hier an, dass Polytec Synergien und Größenvorteile heben kann, da die beiden Werke sehr viel besser zum restlichen Geschäft von Polytec als Voestalpine passen. Die Gewinne der Werke wurden nicht kommuniziert so weit ich gesehen hab, allerdings spricht die Pressemitteilung des ersten Quartals schon von positiven Ergebnisbeiträgen – also werfen sie Gewinne ab!

      Das mit dem Schrumpfen der Weltwirtschaft nach dem billigen Geld sehe ich nicht so kritisch, weil erstens Polytc fast nur vom euroäpischen Markt abhängig ist, dessen Aufschwung hinterherhängt und wo die Geldmenge (im Euroraum) eigentlich erst seit sehr kurzer Zeit überhaupt wieder nennenswert wächst. Zweitens ist Polytec absolut nicht auf dem zyklischen Hoch und in Europa ist der Autoabsatz noch unter den Rekorden vor der Krise.
      Natürlich weiß man nie wie es weiter geht. Für den Euroraum bin ich aber sehr optimistisch, dass wir wenigstens noch 2 Jahre Aufschwung erleben (die Südlander außer Griechenland fangen ja gerade erst an)

      Allerdings könntest du auch Recht haben. Ich sehe hier durchaus auch etliche Risiken, von der Bewertung zum Gesamtmarkt her (wo auch viele Zykliker mit doppelten Multiplikatoren gehandelt werden) erscheinen mir die Chancen aber größer.
      Etwas schade ist, dass man keine wirklich alten Zahlen hat, da der Börsengang noch nicht zu lange her ist. Wäre interessant zu sehen, wie sehr die Krise um 2002 in die Bilanz geschlagen hat, ohne Übernahme bei der die Finanzierung geplatzt ist…

  3. Ok, der Immobilien-Deal mag Geld einsparen. Der Zinssatz für den Kredit ist auch sehr günstig. Trotzdem sind hier mehrere Dinge nicht ganz koscher.

    Wieso sind die Verbindlichkeiten 2008 so extrem gestiegen und dann im Folgejahr wider stark gefallen? Wieso war der Verlust 2009 so sehr groß? Das Unternehmen hat sich bis heute nicht von dem EK-Verlust erholt. Ein solcher neuerlicher Verlust würde das Unternehmen an den Rande des Bankrotts führen.

    “Der Kaufpreis in Bar betrug dabei 17,2 Mio €, bei einer Bilanzsumme von 70 Mio € und einem Buchwert von 18,1 Mio€.”

    Also hat man Schulden übernommen? Wie viel waren davon Finanzschulden?

    Was mir noch fehlt ist ein Vergleich mit Wettbewerbern. Was kann Polytec besser als die anderen? Sind die Wettbewerber ähnlich hoch/niedrig bewertet?

    1. Danke für die Erinnerung an die Wettbewerber – diesen Punkt habe ich in der Tat (vielleicht weil mir keine eingefallen sind) vergessen. Ich denke darüber nach, ob ich das ganze in einem extra Artikel noch einmal überprüfen sollte, falls dir Namen von Wettbewerbern einfallen, schreib sie mir mal.

      Die Sache mti der Bilanz in 2008 ist in der Tat auffällig und leicht zu klären: Polytec hatte versucht den sehr großen Wettbewerber Peguform zu übernehmen. Die Übernahme war laut Firmenchef Huemer “strategisch absolut richtig” aber im wesentlichen über Fremdkapital finanziert. Als die Finanzkrise hereinbrach, kündigten wohl einige Konsortionalbanken den Kredit wenn ich das richtig verstanden habe, womit die gesamte Finanzierung zusammenbrach. Um den Rest zu retten wurde fast die gesamte übernommene Firma weiterverkauft. Wie man sich denken kann in Zeiten der Finanzkrise zu keinen guten Konditionen – entsprechend auch der Verlust an Eigenkapital. Ich gehe davon aus, dass Polytec daraus gelernt haben sollte und in Zukunft nicht den gleichen Fehler wieder macht. Außerdem ist das ein Einmaleffekt, der sich normalerweise in der nächsten Krise nicht in dieser Art erwarten lässt.

      Zu den übernommenen Verbindlichkeiten habe ich nochmal in den Konzernanhang (GB Seite 105) geschaut. Finanzverbindlichkeiten sind nicht gesondert ausgewiesen, wenn dann fallen sie eventuell unter “übrige kurz-/bzw. langfristige Verbindlichkeiten” – diese sonstigen Verbindlichkeiten haben eine Summe von etwa 22 Mio €, dem stehen liquide Mittel in Höhe von 7,6 Mio€ gegenüber. Bei der Übernahme der Immobilien sind tatsächlich Zinstragende Verbindlichkeiten ausgewiesen: 24,6 Mio € langfristige und 33 Mio € kurzfristige Finanzschulden. Hier betrug der Buchwert 21 Mio €, und durch den Kauf entstand ein Firmenwert von gut 10 Mio €.

      Zu der Bewertung der Wettbewerber habe ich in der Tat nicht recherchiert – aber ich werde das nachholen, danke!

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