In meinem ersten Post zur Polytec Holding wurden in den Kommentaren zurecht einige wichtige Punkte angesprochen, die ich ausgelassen oder nicht in der nötigen Ausführlichkeit angesprochen habe. Insbesondere betrifft das die Entwicklung der Bilanz in 2009 , die natürlich erst einmal stutzig macht, sowie die Frage nach der Konkurrenzsituation und dem Vergleich mit den Wettbewerbern, den ich ja auch sehr wichtig finde. Danke für die Erinnerung daran Marfir 😉 .
Inzwischen sind außerdem die guten Halbjahreszahlen eingetroffen, die ich hier auch kommentieren will.
Die Finanzkrise und das Peguform-Desaster
Zum ersten Punkt: Was genau ist eigentlich 2008/2009 passiert, was das Eigenkapital so extrem angegriffen hat?
- Am 01.09.2008 wird die Übernahme der Peguform durch Polytec bekannt gegeben. Zu diesem Zeitpunkt kommt Polytec auf 800 Mio€ Jahresumsatz und Peguform auf 1400 Mio € – Peguform ist also 75% größer als Polytec!
- Der Kaufpreis beträgt laut späterer Meldung 218,5 Mio €, während das EBITDA zum Halbjahr 51 Mio € beträgt. Die EBITDA-Marge liegt damit bei 6,5% , ein wenig unter den 8% die Polytec selbst anstrebt. Zur Finanzierung wurden kurzfristige Kredite von 170 Mio € aufgenommen sowie eigene Barmittel eingesetzt.
- Im dritten Quartal 2008 schlägt die Finanzkrise durch, und die Autoindustrie beginnt mit Produktionskürzungen. Gleichzeitig sind die Rohstoffpreise noch hcoh und belasten.
- Das vierte Quartal 2008 wird für die Autoindustrie katastrophal, Absatzeinbrüche und Kurzarbeit in ungekanntem Ausmaß treten ein. Polytec erwirtschaftet dadurch nun Verluste: bei 487 Mio € Umsatz ein EBITDA von 25 Mio € , EBIT von -2,6 Mio € . Im Gesamtjahr werden nur noch 8 cent je Aktie verdient.
- Wegen der kurzfristigen Finanzierung und der Probleme der Banken diese unter dem Eindruck der sich verschlechternden Bedingungen zu verlängern, gerät die Übernahme zu einer existenziellen Bedrohung für den gesamten Konzern.
- Am 11.05.2009 wird das Entschuldungskonzept bekanntgegeben: bis auf zwei strategisch besonders wichtige Standorte wird Peguform inklusive der dafür aufgenommenen Finanzschulden von 173 Mio € in eine eigene Gesellschaft ausgelagert und abgegeben. Das Eigenkapital ist damit aber wohl verloren…
- Der Chef Friedrich Huemer muss die Hälfte seiner Aktien, 16% des Grundkapitals, für einen Kredit in Höhe von gut 30 Mio € verpfänden um die Finanzierung zu sichern.
- Im Vorstand gibt es 2009 mehrere Wechsel, Polytec und die ganze Autoindustrie stabilisieren sich in den folgenden Jahren wieder
Das ganze ist ein ziemlicher Krimi. Offenbar ist die Übernahme maximal ungünstig abgelaufen: sie erfolgte, zum ersten Mal für Polytec, zu großen Teilen Fremdfinanziert. Sie erfolgte wirklich exakt vor dem großen Ausbruch der Krise 2008/2009. Und durch die Verwicklungen der Finanzindustrie war es im Anschluss kaum möglich, noch an Finanzierungen zu kommen.
Kann man hier Huemer einen Vorwurf machen? Ich denke, eigentlich hat er vernünftig gehandelt. Der Kaufpreis erscheint nicht zu hoch, der strategische Schritt hätte enorme Größenvorteile gebracht und Polytec damit weiter nach vorne. Um die Rettung des Unternehmens hat er sich aber anschließend hervorragend und mit privatem Mitteleinsatz gekümmert. Ich rechne nicht damit, dass hier so bald mit einem ähnlichen Fall zu rechnen sein wird.
Vergleich mit der Konkurrenz
Hier ist es nicht ganz einfach, denn ich kenne ehrlich gesagt die Branche nicht gut genug, um überhaupt alle Konkurrenten aufzählen zu können. Einer der wichtigsten dürfte aber – TADAAAA – die Peguform sein, die ebenfalls in Deutschland und Mitteleuropa Plastikteile an die Automobilindustrie liefert. Sie gehört inzwischen zum indischen Konzern Samvardhana Motherson, der an der Börse ist und daher Geschäftszahlen veröffentlicht.
Die Firma investiert gerade ganz massiv in die Fertigung, also muss die Auftragslage wohl als sehr gut eingeschätzt werden.
2013 wurden bei einem Umsatz von 1917 Mio ein EBITDA von 104 und EBIT von 56 Mio € erzielt. 2014 waren es 2222 Mio € Umsatz, 137 Mio € EBITDA und 87 Mio € EBIT. Als Margen ergeben sich also:
2013: 5,4% EBITDA und 2,9% EBIT
2014: 6,2% EBITDA und 3,9% EBIT
Polytec hat mit über 7% EBITDA-Rendite in beiden Jahren und mit über 4% EBIT-Marge deutlich bessere Kennziffern erreicht. Hier geht der Punkt also an Polytec.
Man kann im Internet auch noch andere Unternehmen finden wie Rehau , WEHA Plastic oder Jordan die im ähnlichen Bereich tätig sind. Allerdings konnte ich bei denen keine Ergebniszahlen finden. Bei Continental oder ThyssenKrupp Plastics scheint mir der Abstand der Produkte doch wesentlich größer. Hat jemand an der Stelle noch weitere Firmen im Kopf?
Aktuelle Zahlen
Polytec hat (wie zu erwarten) sehr gute Zahlen vorgelegt, die deutlich über den Vorjahreswerten liegen. Die EBITDA-Marge geht inzwischen gegen 10% und das Ergebnis wurde deutlich gesteigert.
Sehr schön ist diese Tabelle:
Q3/14 | Q$/14 | Q1/15 | Q2/15 | |
Umsatz | 118 | 135 | 156 | 156 |
EBITDA | 8,4 | 11,4 | 14,2 | 15,3 |
EBIT | 4,5 | 7,1 | 8,8 | 9,4 |
EBIT-Marge | 3,8% | 5,3% | 5,6% | 6,1% |
Ergebnis/Aktie | 0,14 | 0,19 | 0,26 | 0,28 |
Natürlich kann man nicht erwarten, dass das nun immer weiter fortgesetzt werden kann. Insbesondere fallen ja bei den Autoherstellern auch zum Teil gerade Werksferien an in denen die Nachfrage sinkt.
Gerade das Wachstum der Margen, die das Ergebnis noch mehr als den Umsatz steigen lassen, gefällt mir aber sehr gut. Ansonsten ist die Entwicklung im wesentlichen wie ich sie auch erwartet habe. Für die nächste Zeit würde kleinere Gewinnsteigerungen annehmen, die von operativen Verbesserungen getragen werden könnten. Die Schuldenlast wird Polytec vermutlich nun wieder für eine gewisse Zeit zu reduzieren versuchen, trotzdem kann ich mir bei den guten Resultaten eine etwas höhere Dividende vorstellen. Ich bin gespannt!
Du weißt, dass die Zulieferer der Automobilbranche einen außerordentlich zyklischen Sektor darstellen? Diese Branche boomt im Aufschwung immer, aber was passiert, wenn der Konjunktureinbruch kommt? Und die Herstellung von Plastikteilen erscheint mir nicht als ein Markt, der sich durch besondere Burggräben auszeichnet. Das heißt, ein evtl. Einbruch würde sich voll durchschlagen. Also in der aktuellen Situation wäre mir diese Kiste zu heiß. Auch wenn ich selbst Automobilzulieferer habe, da kommt man im deutschen Maschinenbau einfach nicht drum herum, man sollte da sehr selektiv vorgehen und sich nicht von einigen positiven Gegebenheiten hinreißen lassen. Mir erscheint, du erzählst dir da gerade eine Story, an die du nur zu gerne glauben willst.
Das stimmt, ich bin hier auch im Moment am überlegen ob ich mich ein Stück von dem netten Bestätigungsfehler beeinflussen lasse, den ich ja vor einer Weile beschrieben habe.
Prinzipiell kann die Branche immer mal wieder stark abwärts gehen, und aktuell ist sie schon eine Weile ganz ordentlich gelaufen. Wie weit es wirklich abwärts gehen würde, kann ich schlecht einschätzen, ich denke aber eine so starke Rezession wie 2008/2009 ist in näherer Zukunft eher unwahrscheinlich.
Du sagst ja, dass du selbst Autozulieferer hast – inwiefern bist du der Meinung, dass diese besser sind (also MAX Auomation zum Beispiel)? Das Problem ist ja in der Branche gar nicht mal so extrem Verdrängungswettbewerb, sondern dass eigentlich alle weniger bis nichts verkaufen können, sobald eine echte Verkaufsflaute einsetzt. Da Industrie in der Regel nennenswerte Fixkosten aufweist, führt das dann zu Verlusten.
Ich habe im Moment den Eindruck, dass zyklische Industrieaktien im Vergleich zu den typischen Langweiler-Dividendenaktien eher unterbewertet sind. Einfach weil aufgrund des Zinsniveaus ein Anlegertypus auf den Aktienmarkt kommt, der früher Anleihen gekauft hätte was sich nicht mehr lohnt. Außerdem sind etliche Zykliker ebenfalls wesentlich höher bewertet an der Börse.
Allerdings: ja, wahrscheinlich ist es nicht der beste Zeitpunkt und es gibt bessere Alternativen wenn man sucht. Privat bin ich, da ich kein überschüssiges Geld zu investieren habe und im Moment eher IBM oder Hypoport noch weiter aufstocken würde, eh nicht in der Aktie. Ich mache mir Gedanken, sie daher auch relativ schnell wieder aus dem Wiki zu nehmen und auf der Watchlist erst wieder zu beachten sobald der Kurs weit unter Buchwert fällt. Ich werde mir eine Weile Bedenkzeit nehmen denke ich, aber meine These war ja ohnehin eher, dass der Markt noch ein wenig braucht um die Aktie hochzuschicken – eigentlich glaube ich das immer noch ziemlich fest.
Bei dieser Bewertung finde ich die Polytec auch interessant.
Bei dem Produktportfolio musste ich jedoch an die 3D Drucktechnologie denken und deren Anwendungsmöglichkeiten im Kunststoffbereich.
6% EBIT Marge ist viel zu gering. EBIT und EBITDA sind ohnehin Augenwischerei, mit denen wenig profitable Firmen versuchen sich gut dar zu stellen.
Von solchen Firmen sollte man Abstand halten.