Funkwerk Hauptversammlung

Über Funkwerk habe ich ja bereits hier einmal geschrieben und angesichts der interessanten aktuellen Lage (einerseits Corona, andererseits ist Zugfunk explizit im Konjunkturpaket erwähnt und soll mit 150 Mio € bezuschusst werden) und der vergangenen Ereignisse um die Insolvenz von Euromicron im Dezember habe ich heute die virtuelle Hauptversammlung von Funkwerk “besucht”. 

Ich habe dabei eine Mitschrift gemacht, die ich den interessierten Lesern nicht vorenthalten will, auch wenn sie sprachlich sicher nicht perfekt und nur wenig nachbearbeit ist:

HV Mitschrift Funkwerk

(alles ohne Gewähr, schnell tippen und zuhören zugleich ist mitunter nicht leicht)

Wenig interessantes gab es beim ersten Punkt, dem Bericht des Aufsichtsrates und auch dem ersten Teil des Lageberichtes:

◦ (noch?) weniger stark betroffen als andere Branchen, langfristige Auswirkungen schwer abzuschätzen
◦ bereits Projekt und Terminverschiebungen und Reisebeschränkungen, Service-Einsätze vor Ort stark eingeschränkt
◦ März bis Mai Störungen prägend im Tagesgeschäft, aktuell Entspannung der Situation
◦ konkrete Planung kaum möglich
◦ langfristige Ziele: Auf Stärken konzentrieren und Ertragsorientiert wachsen , wichtig dass Komponenten auch in Jahren gewartet und mit Ersatzteilen beliefert werden können
◦ Umsatzwachstum, Prognose übertroffen
◦ hohe Softwareleistungsanteile und Kostenkontrolle ließen Materialquote sinken
◦ Rohertragsmarge bei 59%
◦ 423 Mitarbeiter, davon 26 Azubi
◦ Kooperation mit Universitäten
◦ Verlust Euromicron vollständig wertberichtigt
◦ sah gute Basis für strategische Partnerschaft
◦ Schutzschirmverfahren „völlig überraschend“, persönliche Enttäuschung
◦ keine Auswirkung auf das operative Geschäft
◦ rechtliche Schritte werden geprüft
◦ Auftragseingang von 94 auf 100 Mio erhöht

Geschäftsbereiche

• alle Bereiche gewachsen
• Expansionskurs der Bahnindustrie wird sich wahrscheinlich fortsetzen, Umweltbewusstsein und wachsender Mobilitätsbedarf
• ETCS standard bietet aktuell Chancen (Vereinheitlichung der Systeme in Europa, so dass auch die Zugsysteme ETCS-fähig werden müssen)
• Kommt nicht nur in Europa, sondern auch China und Australien zum Einsatz
• Es ist noch nicht spezifiziert was auf GSM-R folgt, erwarten erste Installationen nicht vor 2025
• sehen sich gut vorbereitet und arbeiten in den Gremien zur Standarddefinition mit
• Zugfunk:
◦ Zukunftspaket (Konjunkturprogramm der Bundesregierung) von 50 Mrd € beinhaltet auch digitale Investitionen in z.B. Zugfunk. Gehen davon aus, dass Projekt- und Anschaffungskosten daraus finanziert werden sollen, ca 3000 Zugfunksysteme mit älterer Technologie in Deutschland und geschätzt 9000 Fahrzeuge ohne Blockingfeste Module – Zugfunk kann Lösung bieten.
◦ Zeitraum ist sehr kurz, evaluieren die Situation.
◦ Systeme sind voll digitalisiert und haben Schnittstellen zur Sammlung und Verarbeitung der Daten.
◦ 4G-System in der Schweiz, eine der weltweit ersten Anwendungen
◦ Projekt Digitale S-Bahn Hamburg – automatisches Zugsteuerungssystem über 5G-Infrastruktur, Funkwerk liefert 5G-taugliche Technik
• Reisenden-Information
◦ Zeigt Beispiele
◦ Software ist das Herzstück der Systeme
◦ Einzellösung bis Komplettausrüstung ganzer Länder (Österreich, Luxemburg)
◦ Implementierung des Auris Systems in Luxemburg läuft seit 2018 und wird bis 2021 gehen, dann ist ganz Luxemburg mit der Funkwerktechnik ausgerüstet
• Videosysteme
◦ Branche wächst deutlich, insbesondere Überwachungstechnik
◦ hoher Bekanntheitsgrad für professionelle Anlagen
◦ Stärke Netzwerkkompetenz, individuell angepasste Systeme
◦ Konzentration zunehmend auf Software
◦ Videomanagementsystem gibt es in unterschiedlichen Ausrichtungen
◦ Posa Palleon (Premium Lösung) ua in Nürnberg oder Hamburger Elbtunnel
◦ Posa Palleon treibt die positive Margenentwicklung im Bereich
◦ Light-Version über Partner vertrieben (optisafe)
◦ Anwendungen wie Intelligente Verkehrsanalyse, Überwachung des Verkehrsflusses, automatische Freigabe von Seitenstreifen
• Digitalisierung großer Trend, Corona schiebt
◦ KI, Machine Learning und Algorithmen, etwa Predictive Maintenance
◦ Ziel : in nächsten Jahren IoT Features in Funkwerksysteme
• Ergebnis erste fünf Monate:
◦ Auftragseingang von 43,8 auf 41,3 , Auftragsbestand bei 81,6 Mio konstant,
◦ Umsatz von 33 auf 36 Mio gestiegen, Ebit von 4,1 auf 5,3 und EBT von 3,9 auf 5,1 Mio
◦ Rohertragsmarge höher
◦ Strabag Übernahme: Stellung im Zugfunk ausbauen, Kundenbasis (Anzahl installierter Systeme) vergrößert, 3 Mio € Umsatz
• Ausblick: unsicher, bisherige Ergebnisse positives Signal, Herausforderung Kundenbindung in stark betroffenen Ländern außerhalb Deutschlands (UK, Spanien, Italien, Indien…) , laufende Aufträge abwickeln wird eine Herausforderung in diesen Ländern wegen der Reisebeschränkungen
• planen in Kölleda einen Erweiterungsbau, sind mit Planungsleistungen und Projektierung beschäftigt
• langfristig optimistisch

Präsenz 6.42 Mio Aktien, mit Briefwahl 81% der Kapitals vertreten

Fragen

Es waren 37 Fragen eingereicht ( wurden alle verlesen), werden in Themenkomplexe eingeteilt beantwortet

Herr Radke
• Auch Aufsichtsrat von Euromicron wurde von der Ad-Hoc überrascht. Vorstand trifft Überschuldungsentscheidung und führt die Gesellschaft. Es gab keine Information und Abstimmung mit Funkwerk/Euromicron. Es ist unverständlich, warum der Euromicron-Vorstand im Verborgenen und Geheim mit der Zech-Stiftung ein Erwererkonzept vorbereitet hat.
• Verantwortung zur Ermittlung von Fehlverhalten liegt beim Insolvenzverwalter
• Die Übernahme von Verbindlichkeiten und / oder eine Bankfinanzierung war nicht ohne weiteres zu stemmen, Zeit war sehr kurz.
• Der wegen Wechsel zu Euromicron ausgeschiedene Vorstand Andreas Schmid hat keine Abfindung erhalten. Hat Mandat als Vorstand der Euromicron nach Insolvenz niedergelegt. Es ist nicht beabsichtigt ihn wieder für Funkwerk einzustellen.
• Nicht geplant neuen Vorstand zu berufen

Frau Schreiber
• Wirtschaftliche Kennzahlen
◦ Auftragsbestand wie Auftragseingang, Zugfunk x % (genau das hab ich leider nicht richtig mitbekommen – Update: laut Forenkommentar war es wohl 55% Zugfunk, das hieße je 22,5% für die anderen Bereiche), Video und Reisendeninformation gleichauf
◦ Angabe der Margen in Geschäftsbereichen wird nicht gemacht
◦ Videosysteme konnte Marge die letzten Jahre steigern, mit Branche vergleichbar,
• Kennzahlen Mai
◦ bereits aufgezeigt, siehe oben
• Covid und Aussichten
◦ Folgen der Pandemie: Projekt und Terminverschiebungen und Reisebeschränkung schränkt Arbeit ein, Zahlungsverzögerungen, temporär erhöhtes Working Capital
◦ Lieferketten intakt nach erheblichen Störungen März bis Mai
◦ alle Geschäftsbereiche gleichermaßen betroffen
◦ Von Systemrelevanten Firmen Bescheinigungen als wichtiger Lieferant ausstellen lassen um im Fall eines kompletten Lockdowns weiter machen zu können
◦ Im August soll Prognose für gesamtes Geschäftsjahr gegeben werden, jetzt noch nicht
◦ Nicht von Einbruch einer bestimmte Branche abhängig wie z.b. Autozulieferer
• Zukäufe und Mittelverwendung
◦ prüfen permanent Akquisitionen, aktuelles Umfeld könnte Chancen bieten
◦ Reisendeninfo oder Videosysteme könnten interessant sein für Übernahmen
◦ 3 Mio Investitionsvolumen geplant dieses Jahr
◦ Bauaktivitäten nächstes Jahr bis 2022, 6 Mio € Investition für den Erweiterungsbau veranschlagt
◦ Fläche um 30% erweitert
◦ Möglichkeit auf 2-Schichtsystem zu wechseln, schaffen Büroarbeitsplätze die Abstriche zugunsten der Produktion machen mussten
◦ notwendiges Betriebskapital heute eher bis zu 20 Mio € , höhere Vorfinanzierungslast bei Auftragsnehmer, Anbietermarkt bei Reisendeninfo und Videosysteme ist groß genug dass man sich nicht der Anforderung entziehen kann bzw keine höheren Preise für die Vorfinanzierung nehmen kann (wurde nicht gesagt, aber heißt für mich im Umkehrschluss dass die im Zugfunk extrem wenig Wettbewerb existiert so dass man es hier durchaus anders verhandeln kann)
◦ erhöhte Ausschüttung nicht geplant, Rückkauf würde von Großaktionär wohl nicht unterstützt, Sonderausschüttung? – hat der Großaktionär auch nicht auf die Agenda gesetzt
◦ 2019 gab es 75000€ gezahlte Negativzinsen
• IOT:
◦ IOT Features werden für alle Anwendungen entwickelt werden , aber als eigenens Geschäftsfeld lässt es sich nicht umsetzen da weniger als 10 Mitarbeiter, einige Pilotprojekte installiert die aber keine Aufträge zur Folge hatten
◦ Kunden wollen ihre Daten in ihrer Hoheit behalten
◦ sehr spezifische Projekte
◦ Als Reaktion auf die Schwierigkeiten bei externen IoT-Projekten will Funkwerk eigene Applikationen mit IOT Features ausstatten und damit attraktiver machen
• Übernahme von Zugfunk-Aktivitätten der Strabag
◦ Für Strabag war Geschäft wohl durch die Garantieverpflichtung eher unattraktiv
◦ können Marktanteil ausbauen, 3 Mio Umsatz
◦ (Ich habe leider einen Teil nicht mitbekommen, weiß nicht ob was zum Preis gesagt wurde)
• Konjunkturpaket
◦ siehe Ausführungen oben
◦ kann nicht verlässlich Prognose geben da Umsetzungsmaßnahmen zum Beschluss noch fehlen, auch auf den Septembersitzungen des Bundestages steht das wohl nicht auf der Tagesordnung
• ECTS
◦ Funkwerk liefert nur die Funkmodule an die Fahrzeughersteller
◦ für die nächsten Jahre noch Potential , von 13500 Fahrzeugen in D 1500 Fahrzeuge ausgestattet, Ausrüstung wird noch 10 bis 15 Jahre dauern, erwarten 2-3 Mio Umsatz im Jahr
◦ In Europa bei 10 bis 15 Jahr bis zu 4000 Systeme im Jahr, ist aber noch nicht der Fall dass hier groß umgetauscht würde
◦ 2000 bis 4000 Fahrzeuge ausstatten ist denkbar, aber breite Prognosebandbreite
• Prognoseübertreffung (Fragesteller hat genauere Prognosen gefordert)
◦ bla bla um die zu konservativen Prognosen zu rechtfertigen, keine Änderungen…
• Verlustvorträge 45 Mio €, davon 90% in Videosystemen, steuerliche Nutzung hier aus Gewinn allein nicht möglich, Umstrukturierung wird als Risiko bzgl des Algerienproblems gesehen und deshalb nicht getan. 5% liegen in AG
• Euromicron
◦ Kontakte entstanden auf Fachtagung, anschließend Gespräche
◦ Team aus Funkwerk-Mitarbeitern sowie externen Beratern verantwortlich für den Deal
◦ hat mit Euromicron Vorstand Gespräche geführt über bisherige und zukünftige Entwicklung
◦ Übernahme einzelner Geschäftsbereiche der Euromicron angefragt, Euromicron hat das abgelehnt und hat auf Kapitalerhöhung gedrängt
◦ strategisch unwichtige Bereiche sollten verkauft werden (war von Anfang vereinbart), Schritte hierzu waren schon eingeleitet, auch um die 25 Mio Anleihe zu zahlen
◦ keine Anzeichen für Funkwerk für Insolvenz, keine andere Information als die anderen Aktionäre, wurden auch nicht bevorzugt behandelt
◦ externe Aufklärung beauftragt um zu erkennen ob die Insolvenz vorher erkennbar war (Ergebnis nein), ansprüche geltend gemacht werden können, oder ob es bilanzielle Fehler gab (liegt in Pflicht des Insolvenzverwalters, da zusätzliche Daten nötig)
◦ „Vorwurf dass Übernahme durch Zech vorbereitet war lässt sich nachvollziehen“, aber es fehlen die Beweise
◦ Anschließend macht sie selbst (fast wortgleich wie zuvor Radke) den Vorwurf, dass der Euromicron Vorstand im Verborgenen und geheim den Verkauf an Zech vorbereitet hat, allerdings ist der Insolvenzverwalter in der Pflicht
◦ Erst nach Insolvenz wurde durch Insolvenzverwalter angefragt ob sie kaufen wollten, unter ungewöhnlich kurzer Frist kurz vor Weihnachten– ein gesamter Verkauf wäre aber aus vorhandenen Mitteln nicht zu stemmen gewesen, und es gab keine Zeit eine Finanzierung erst auf die Beine zu stellen, das wäre so schnell unseriös
• Rückstellungen
◦ werden zum überwiegenden Teil in Anspruch genommen, wenig wird aufgelöst
◦ Verpflichtung bis mindestens 2030 oder länger GSM_R Systeme aufrechtzuerhalten, daher werden Rückstellungen hoch bleiben
• Algerien
◦ Anfang 2019 Prozess der politischen erneuerung eingeleitet, neuer Präsident
◦ bisher wurden Verfahren zum Teil wegen der politischen Lage nicht verhandelt
◦ gehen von Wiederaufnahme des Verfahrens auf.
◦ Sind in Deutschland und Algerien mit Anwälten in dem Fall beschäftigt
◦ wichtig Flagge zu zeigen und nicht passiv zu sein, passiv sein könnte als „schuldeingeständnis“ gewertet werden
◦ erfolgsabhänige Vergütungsvereinbarung mit den Anwälten getroffen, diese ist in Rückstellungen, insges Rückstellungen in Höhe von 600T €
◦ Versuch der Kontaktaufnahme zu Sonatrach (auch schon vor Corona) ohne Erfolg verlaufen
• Börsennotierung
◦ keine Rückkehr in den prime standard geplant

 

Fazit

Funkwerk ist bisher offenbar nur wenig von Corona betroffen und konnte Umsatz und Gewinn im bisherigen Verlauf sogar steigern. Bei Euromicron scheint Funkwerk tatsächlich böswillig hinters Licht geführt worden zu sein und ich hoffe dass man hier Ansprüche geltend machen kann – bin aber nicht sicher ob das tatsächlich möglich ist.

Weiterhin zeigt sich Funkwerk zu bestimmten Bereichen des Geschäftes aber sehr bedeckt, etwa was die Margen und die genaue Lage der verschiedenen Geschäftsbereiche angeht, womöglich will man hier nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die im Bereich Zugfunk angesichts geringer Konkurrenz wohl recht hohen Gewinne lenken. Aus den Fragen erkannte man, dass etliche Aktionäre die ständigen hohen Zuschreibungen zu den Rückstellungen als zu hoch ansehen, was Frau Schreiber allerdings anders sah.

Das einzig störende: Es ist nicht klar, ob die reichlich vorhandenen Barbestände bald sinnvoll eingesetzt oder Ausgeschüttet werden könnten, so hängt es wohl von Großaktionär Hörmann ab wie viel die Aktionäre davon erhalten.

Angesichts der zu Beginn des Jahres noch gesteigerten Gewinne scheint mir Funkwerk aber nach wie vor recht günstig zu sein und ich bin langfristig optimistisch dass die Firma sich gut entwickelt.

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